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An der Medizin-Uni Wien waren 2011 rund 56 Prozent der Testteilnehmer Frauen, der Frauenanteil der zum Studium Zugelassenen betrug aber nur 43,1 Prozent.

Foto: Lilli Strauss/dapd

Am 6. Juli finden an allen drei medizinischen Universitäten Österreichs wieder die Eignungstests für das Medizinstudium statt. In Wien gibt es dieses Jahr eine Neuerung: Die Auswertung des Eignungstests (EMS-Test) erfolgt getrennt nach Geschlechtern. Das hat die Medizinische Universität Wien im Dezember 2011 in ihrem Mitteilungsblatt verkündet. "Die Ermittlung des Testwerts erfolgt genderspezifisch", heißt es dazu in Paragraf 10.

Man reagiert damit auf das schlechtere Abschneiden der Bewerberinnen im Vergleich zu den Männern. An der Medizin-Uni Wien waren 2011 rund 56 Prozent der Testteilnehmer Frauen (2010: ebenfalls 56 Prozent), nach der Auswertung betrug die Frauenquote bei den zum Studium Zugelassenen aber nur 43,1 Prozent, geringfügig mehr als 2010 (42 Prozent). Die Medizin-Uni Wien will diese geschlechterspezifische Unausgewogenheit mit einer neuen Auswertungsmethode ausgleichen. 

"Nachteilsausgleich"

"Es ist keine Frauenbevorzugungsmaßnahme", hält Vizerektorin Karin Gutiérrez-Lobos im Gespräch mit derStandard.at fest. Seit Einführung des EMS-Tests habe es immer einen großen Gender Gap gegeben, der in der Öffentlichkeit sehr kritisch gesehen wurde. "Wir nehmen nun einen Nachteilsausgleich vor und werten Frauen und Männer getrennt aus."

Der Vorstoß löst aber auch Kritik aus, da gleiche Leistungen ab sofort nicht mehr gleich bewertet werden. Medizinstudentinnen würden künftig als "Quotenfrauen" abgestempelt, "auch wenn sie von der geschlechtsspezifischen Auswertung nicht profitiert haben", befürchtet die ÖH Medizin Uni Wien.

"Diskriminierung beider Geschlechter"

Wie funktioniert die mildere Beurteilung in der Praxis? Die Zulassung zum Medizinstudium erfolgt über den Testwert, der sich aus der Gesamtpunktezahl und dem Mittelwert berechnet. Jedoch wird ab heuer der Mittelwert für beide Geschlechter getrennt bestimmt anstatt wie in den Vorjahren für alle Teilnehmer gemeinsam. "Dies führt nach der Berechnung des entscheidenden Testwerts bei gleicher Leistung im Test zu einem höheren Wert für Studienwerberinnen als für Studienwerber. Dies stellt eine deutliche Diskriminierung beider Geschlechter dar", sagt Christian Orasche, Vorsitzender der ÖH Medizin Uni Wien.

Bemühungen, dass gleich viele Frauen wie Männer den Einstieg in das Medizinstudium schaffen, gibt es schon länger. Die Frauen-Erfolgsquote bei den Aufnahmetests für das Medizinstudium ist aber 2011 an allen drei Medizin-Unis nur geringfügig gestiegen. Von den insgesamt 1.530 Studienplätzen an den Standorten Wien, Innsbruck und Graz gingen 682 an Frauen (44,6 Prozent), im Jahr 2010 waren es 643 (43 Prozent). Die Frauenquote bei den Testteilnehmern Anfang Juli 2011 lag bei 56 Prozent (2010: 55 Prozent).

Eine Ausnahme stellte die Grazer Medizin-Uni dar: Dort konnten die Bewerberinnen beinahe die Hälfte der Studienplätze (48 Prozent; 2010: 43 Prozent) ergattern. Die Grazer Uni verwendet einen selbst entwickelten Test, während die Unis in Wien und Innsbruck auf den Schweizer EMS-Test zurückgreifen. Letzterer steht in der Kritik, weibliche Studienanwärter strukturell zu benachteiligen.

"Kein gutes Signal"

Die Medizin-Unis in Graz und Innsbruck reagieren zurückhaltend auf den Vorstoß der Wiener Kollegen, die Frauen getrennt auszuwerten. In Innsbruck will man die weiblichen Bewerberinnen nicht milder beurteilen, wie es auf Nachfrage von derStandard.at heißt.

Auch Josef Smolle, Rektor der Medizin-Uni Graz, kann sich nicht vorstellen, die weiblichen Bewerberinnen milder zu beurteilen als die männlichen Kollegen. "Für mich stellt sich die Frage: Haben Frauen es nötig, mit zweierlei Maß gemessen zu werden?" Seine Antwort lautet: "Nein." Frauen und Männer seien völlig gleichberechtigt: "Ich glaube, dass die mildere Beurteilung kein gutes Signal für die Frauen ist."

Zu den Plänen, die Eingangstests österreichweit zu vereinheitlichen (derStandard.at berichtete), sagt Smolle: "Es wäre ein gutes Unterfangen, einen gemeinsamen Test zu machen." Gerne will er die Grazer Expertise allen Medizin-Unis zur gemeinsamen Weiterentwicklung zur Verfügung stellen, wie er sagt. Der Grazer Test beziehe auch die Lernbereitschaft und die sozialen Kompetenzen ein. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 14.3.2012)