"Tshe-Tsha-Boys" aus dem nördlichen Südafrika zählen mit ihren artistischen Tänzen zu den Stars der Shangaan- Szene.

Foto: Honest Jon's

Wien - Zwei Jahre nach der dort über die Bühne gegangenen Fußball-Weltmeisterschaft ist das Interesse an Popmusik aus Südafrika zwar schon wieder erheblich abgeflaut. Die Vuvuzela dürfte allerdings als weltweit fixer Bestandteil jedweder Sport-Großveranstaltungs- und politischer Protestfolklore unserem Nervenkostüm noch auf Jahrzehnte erheblichen Schaden zufügen. Allein die Vorstellung der an einen sterbenden Wal erinnernden, in Moll mit dem Mund gehupten Klagelaute macht traurig.

Internationale Karrieren im Popbereich dürften allem Anschein nach wohl nur für die lustige weiße Comics-HipHop-Crew Die Antwoord und den gerade durchstartenden, schwarzafrikansichen Elektro, Afropop, karibische Steel-Drums und Rock verwurstenden Stil-Staubsauger Spoek Mathambo möglich sein (mehr über Spoek Mathambo am Freitag im RONDO).

Allerdings werden seit einigen Jahren auch außerhalb des trotz 50 Millionen Einwohnern ökonomisch kleinen südafrikanischen Musikmarkts in unregelmäßigem Abstand CD-Kompilationen veröffentlicht. Sie belegen, dass dank Internet neueste musikalische Errungenschaften schnell in die entlegensten Gegenden finden.

Bei der Münchener Plattenfirma Trikont etwa liegen derzeit zwei CD-Sampler mit aktuellerer, von der Straße und nicht aus teuren Aufnahmestudios kommender Do-it-yourself-Popmusik aus Südafrika vor, die vor allem auch auf das Tanzbein zielt. Mzansi Music - Young Urban South Africa und Ayobaness! The Sound Of South African House beweisen mit ihrer wuchtigen, derben, dreckigen Adaption von US-HipHop und langsamer getunter House-Musik, dass sich hier problemlos Stile für eine immer noch in lokalen Volksmusiken verhaftete Jugend integrieren lassen, ohne dabei mit Blick auf den Westen die alte Weltmusikkeule bemühen zu müssen. Auf der steht ohnehin nur, dass sich Musiker aus exotischen Gegenden gefälligst darum bemühen sollen, die Musik ihrer Heimat mit gängigen Stilschablonen für den westlichen Markt auf Vordermann zu bringen, weil es sonst mit der finanziellen Anerkennung leider schlecht ausschaut.

Diese Musik aber kommt von der Straße und aus Clubs in Townships am Rande der Metropolen Johannesburg oder Kapstadt. Und sie will und kann da auch gar nicht weg. Vorher kommt die große weite Welt lieber in die Townships.Eine Bewegung vom Zentrum zur Peripherie wiederholt sich mit etwas mehr Aussicht auf eine wechselseitige Befruchtung nun auch mit einem in der nördlichen Provinz Limpopo beheimateten Musik- und Tanzstil. 2010 erschien die CD Shangaan Electro - New Wave Dance Music From South Africa auf dem Londoner Label Honest Jon's. Bei diesem besitzt Britpop-Kaiser Damon Albarn (Gorillaz, Blur .. .) Anteile. Das ermöglicht (finanziell gut abgefedert) neben der Veröffentlichung alter Schlagermusik aus dem Bagdad der 1920er-Jahre oder akademischem Improvisations-Dub-Techno aus Berlin-Mitte eben auch Projekte wie dieses.Hinter dem nur für junge Leute geeigneten Shangaan-Stil und seinen Richtung Herzinfarkt wandernden Steckdosenrhythmen im Bereich von absurden 180 beats per minute, die mit Marimba, also einem Holzxylofon repetitiv-minimalistisch behübscht werden, steckt im Wesentlichen der Produzent, Musiker und Geschäftsmann Richard "Nozinja" Mthetwa.

Nozinja lässt zu seinem Amoklauf-Alleinunterhalterorgel-Techno Männer mit Clownmasken in atemberaubendem Tempo die Gummiknie schlenkern und jetzt auf der neuen CD Shangaan Shake eben auch von westlichen Techno-Größen wie Theo Parrish und Ricardo Villalobos oder DJ Rashad aus der parallel zur Shangaan-Szene in Chicago, USA, aufgekommenen, artverwandten Footwork-Szene in Chicago remixen. Das ist globale Musik für das Jetzt. Sie nimmt einem den Atem. Unbedingt bei Youtube suchen! (Christian Schachinger, DER STANDARD, 14.3.2012)