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Sorgen sich Daimler-Mitarbeiter um das Image ihrer Firma und entfernen schädliche Inhalte auf eigene Faust?

Foto: dapd, Thomas Kienzle

Der entfernte Absatz zum Thema "Lobbying" ist wieder zu lesen.

Foto: Screenshot, derStandard.at

Wikipedia stellt dank der gigantischen Anzahl an Mitwirkenden eine gern angeklickte Informationsquelle im Internet dar. Artikel können unter Angabe des richtigen Namens oder eines Pseudonyms bearbeitet sowie einzelne Passagen daraus entfernt werden. Ein negativer Aspekt sind Halbwahrheiten oder fehlende Informationen, die das Image der jeweiligen Firma, Person oder Sache ins rechte Licht rücken sollen. Wer anonym an Texten "herumdoktert", hinterlässt dennoch Spuren und zwar durch die IP-Adresse. 

"Worst EU Lobbying Award" verschwunden

Wie Spiegel.de berichtet, hat ein anonymer Nutzer mit der IP-Adresse 141.113.85.93 eine Passage aus dem Wikipedia-Artikel über das deutsche Automobilunternehmen Daimler AG entfernt. In dem Textabschnitt zum Thema "Lobbying" wurde dem Konzern Einflussnahme auf die Bundesregierung vorgeworfen. Daimler-Benz habe 2007 mit den Herstellern BMW und Porsche die Auszeichnung "Worst EU Lobbying Award" erhalten. Begründet wurde dies laut den Juroren mit der gemeinsamen Kampagne, die "Verwässerung und Verzögerung von verpflichtenden CO2-Reduktionszielen" fördere. Ebenfalls verschwunden ist der Absatz darüber, "dass in der Ausschreibungsphase für das milliardenteure deutsche LKW-Mautsystem ein ranghoher Mitarbeiter von DaimlerChrysler im Verkehrsministerium mitarbeitete."

Dementi

Der aufmerksame Nutzer namens "Inkowik" hat die gelöschten Passagen wieder rückgängig gemacht. Daimler-Sprecher Florian Martens zufolge sei die Löschung der Inhalte "nicht im Auftrag der Daimler AG" erfolgt, berichtet Spiegel.de. Er meint, dass wohl ein Mitarbeiter auf eigene Faust gehandelt habe: Es handelte sich um eine "eigenständige, private Änderung von Mitarbeitern". Dass über dieselbe IP-Adresse zur selben Zeit auch Einträge in "Müsli", "Victoria von Schweden" oder am Tag zuvor "Zeugen Jehovas" bearbeitet wurde, soll diese These untermauern. 

Firmenleitfaden für Social Media-Verhalten für Mitarbeiter

Laut dem Pressesprecher sei eine Verfolgung des Daimler-Zensors aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Im Firmenknigge für das Social-Media-Verhalten schreibt Daimler seinen Mitarbeitern vor, sich als solcher auszuweisen. Trotzdem plant die Unternehmensführung, so Spiegel.de, dem Vorfall nicht weiter nachzugehen. Kritik gibt es dafür von Ulrich Müller, Vorstand der Organisation LobbyControl, der den "Worst EU Lobbying Award" mitvergibt. Um künftig derartigen Manipulationen vorzubeugen, solle dem Fall nachgegangen werden, betont er.

Nicht erste Zensur

Wie Spiegel.de berichtet, gab es bei Wikipedia-Einträgen zur Daimler AG schon einmal Zensuren. 2005 und 2006 wurden 24 "Korrekturen" mit Bezug auf die NS-Vergangenheit des Automobilkonzerns vorgenommen. Sie betrafen unter anderem den Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Während die Daimler AG die Korrektheit der Angaben bestätigte, will man auch damals nichts mit der Löschung der Abschnitte zu tun gehabt haben. Wie von Social Media nicht anders zu erwarten, verbreitet sich indes auf Twitter die Nachricht über Daimlers "Verschönerungsaktion". (ez, derStandard.at, 12.03.2012)