Sixties, so und so: Ein Model auf "Blow" von Zanotta (1967)...

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...und der russische Kosmonaut Alexej Leonow auf "Galaxy" von Walter Pichler (1968).

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Man muss beim Eingang zur Ausstellung "Sixties Design" nicht unbedingt lustige Zigaretten verteilen, aber ein wenig James Brown und ein fetter Plüschteppich hätten der Schau nicht schlecht getan. Doch Big Party à la Der Partyschreck (1969) findet hier im Hofmobiliendepot keine statt.

Die "Bitte nicht betreten"- und "Bitte nicht berühren"-Schilder peppen das hier versammelte Konzentrat an Weltklasse-Design auch nicht unbedingt auf. Es ist ein erfreuliches, aber braves Wiedersehen mit circa 100 guten, alten Bekannten. Doch soll hier nichts madig gemacht werden. So respektlos der Zahn der Zeit eben ist, macht er auch vor den 60ies nicht halt. Trotz ihrer Angesagtheit sind viele der Sammlerstücke eben in die Jahre gekommene Ikonen, die ihre wilden Zeiten zum Teil mehr als 50 Jahre hinter sich haben.

Auf gut 600 Quadratmetern, verteilt auf zwei Ebenen, hat der Ausstellungskurator Markus Laumann Schätze eines Jahrzehntes gehoben, die das Design wie nie zuvor revolutionierten, oder anders gesagt: das Formen einfach ausflippen ließen. Hinterfragt man die Sehnsucht nach diesen Objekten, also auch den aktuellen Vintage- und Retrotrend (siehe auch Interview Seite 14), liegt der Gedanke nahe, dass die Anziehungskraft dieses Jahrzehnt deshalb so stark ist, weil es vielleicht am ehesten den Titel einer nostalgiefreien Dekade verdient hat. 

Nostalgische Wesen

Vieles wurde möglich, vieles greifbar, vieles neu. In einer Zeit, in der es an rosaroten Brillen eher mangelt, erklärt der Kurator diese Liebäugelei folgendermaßen: "Das Schnelllebige macht uns zu nostalgischen Wesen. Wir suchen Orientierung in der Vergangenheit, in einem Jahrzehnt, in dem gesellschaftspolitsch die Wurzeln unserer Zeit liegen. Besucher wollen ihre Meinung bzw. Bilder bestätigt sehen. Was sie schon wissen, bzw. kennen, bestärkt sie. Sogar 25-Jährige schauen gern zurück", sagt Markus Laumann, der überzeugt ist, dass die 1960er-Jahre "nie weg waren".

Der amerikanische Architekt Robert Venturi charakterisierte diese Zeit als "messy vitality", ein kreatives und lebendiges Durcheinander vieler verschiedener Stile. Einen roten Faden in diesem Kosmos spann Laumann, indem er die Schau in Bereiche gliederte, die mit unaufdringlichen und übersichtlichen Infotafeln gespickt sind. In der Abteilung "Space Age Design" findet der Besucher Walter Pichlers Fauteuil "Galaxy" oder die einzigartige Leuchte "Arco" von Achille Castiglioni, deren Lampenschirm auch als Astronautenhelm herhalten könnte.

In der Box mit dem Etikett Pop-Design streckt der von einem Baseballhandschuh bzw. Joe DiMaggio inspirierte Sessel "Joe" von Gionatan de Pas, Donato D'Urbino & Paolo Lomazzi seine Finger nach den Besuchern. Da liegt es nahe, dass hier auch das als Sixties-Spätzünder reingerutsche Sofa "Marilyn Bocca" aus dem Jahre 1972 seine gepolsterten Lippen spitzt, war die Monroe doch mit dem Baseballstar verehelicht. 

Antidesign und Plastik

Manche dieser Objekte, weiß Laumann, bekommt man noch immer vielerorts, andere Originale sind sehr schwer aufzutreiben, wie der Hocker "Allunaggio" von Achille und Pier Giacomo Castiglioni, der hier seine langen, grasgrünen Spinnenbeine ausstreckt. Themenfelder zu beackern gibt's freilich noch mehr, die Schau vergisst unter anderem auch nicht die Bereiche Antidesign und den Werkstoff Plastik, das vielzitierte "neue Stahlrohr" jener Tage.

Dass die 1960er-Jahre keinesfalls, wie vor allem jüngere Besucher der Schau meinen könnten, eine homogene rosarote Blase waren, die mit lustig-lustig-tralalala gefüllt war, gilt es gerade angesichts der hier versammelten Stücke zu bedenken. In diesem Jahrzehnt sorgten nämlich nicht nur die Markteinführung der Antibabypille oder Keith Richards für eine Menge Spaß, auch die Kubakrise, die chinesische Kulturrevolution, der Mann im Mond oder der Prager Frühling beschäftigten die Zeitgenossen - mehr oder weniger.

Umso passender erscheint eine Tafel am Ende der Ausstellung, auf der es heißt: "Es kam darauf an, wo - und wer - man war." Gefolgt wird dieser Satz von den Worten des englischen Schriftstellers Julian Barnes: "Für die meisten Leute fanden 'die Sechziger' erst in den Siebzigern statt. Was logischerweise bedeutete, dass in den Sechzigerjahren für die meisten Leute noch die Fünfziger stattfanden - oder ... Teile beider Jahrzehnte nebeneinander. Was die ganze Sache ziemlich verwirrend machte." (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 9.3.2012)