Am Donnerstag ist es wieder so weit: Der Wiener Wurstelprater öffnet seine Tore und startet in die neue Saison. Ein Ritual mit Tradition: Seit über 200 Jahren geben sich die Unterhaltungssüchtigen dem närrisch bunten Treiben hin.

Von der Geisterbahn über Autodrom und Ringelspiel bis hin zur obligaten Stelze im Schweizerhaus hält die Vergnügungsmeile im Prater einiges an Attraktionen bereit. Durch flirrende Namen wie "Boomerang", "Dizzy Mouse", "Breakdance" und "Ejection Seat" versuchen die Betreiber heutzutage ihre Fahrgeschäfte mit Emotionen aufzuladen.

Ende des 19. Jahrhunderts lockten hingegen Sensationen ganz anderer Art in den Wurstelprater: die Grachten und Palazzi von "Venedig in Wien", in dessen Umfeld Illusionskünstler, gespenstische Zaubertheater, die ersten Kinobetreiber und Kuriositätenkabinette um die Aufmerksamkeit der Schaulustigen buhlten. Abnormitätenshows (das "Haarweib" Julia Pastrana!) und die "Starken Männer" zogen das Publikum in ihren Bann.

Ein paar Jahre zuvor, bei der Weltausstellung von 1873, brachten technische Novitäten und Sinneseindrücke von bis dahin fremden Regionen die Wiener und Wienerinnen zum Staunen. Ein pulsierendes Diarium der Sensationen war der Wiener Prater in seiner langen Geschichte. Hier einige Impressionen:

Der Mensch in all seinen Variationen (und Abnormitäten) zog die Gaffer Ende des 19. Jahrhunderts in den Prater. Neben "Haarmenschen", Klein- und Großwüchsigen oder den frivol-erotischen Szenerien in "Präuschers Panopticum" gehörten die "Starken Männer" zum Fixinventar der bizarren Belustigungen. Auf diesem Bild aus dem Jahr 1895 zeigt der Athlet Georg Jagendorfer, was eine richtige Keule ist.

Foto: Wien Museum

Kleinere Tricksereien gehörten zum Grundrepertoire der "Starken Männer". Mit würdigem Blick stemmt Jagendorfer (mehr oder weniger) zwei Kollegen.

Foto: Wien Museum

Jagendorfer wusste seinen mächtigen Körper trefflich zu vermarkten. Zum Gaudium des Volks warf der Ringer die Gegner reihum in den Staub. Darunter auch einen Bären.

Foto: Wien Museum

Kraft und kunstvolle Athletik demonstrieren auch diese Sockenhelden. Der Franzose Paul Pons lässt sich hier in Positur werfen.

Foto: Wien Museum

Prächtig, viril, maskulin - der Mann zumindest. Nicht die Strümpfe. Körperstudie um 1900.

Foto: Wien Museum

Seriöser, weil ganz im Zeichen der Volksbildung, war hingegen die Weltausstellung von 1873. Auf einer Fläche von 230 Hektar präsentierten die Aussteller ihre neuesten Produkte und Erfindungen. Dutzende Gebäude, darunter eine 800 Meter lange Maschinenhalle und die Prater-Rotunde, wurden errichtet. Unzählige Pavillons brachten das Lokalkolorit von bis dahin unbekannten Ländern und Regionen in den Prater. Hier der pittoreske "Cercle oriental".

Foto: Wien Museum

Asien war nur ein paar Schritte entfernt: Der japanische Pavillon der Weltausstellung.

Foto: Wien Museum

Ein riesiger Wigwam kündete von den Weiten der amerikanischen Prärie und deren Ureinwohnern.

Foto: Wien Museum

1890 machte gar der Wilde Westen Station. "Buffalo Bill's Wild West"-Show brachte den Sehnsuchtsort der Glücksritter und potenziellen Revolverhelden nach Wien.

Foto: Wien Museum

Wie überhaupt der Prater ein günstiges Reisebüro für die erstaunlichsten Destinationen wurde. Gegen ein paar Heller lockt hier die Teilnahme an einer Nordpol-Expedition.

Foto: Wien Museum

Ebenfalls im Katalog: Eine Reise zum Meeresgrund.

Foto: Wien Museum

Die Linderung des Fernwehs versprachen auch die zahlreichen Flugvorführungen auf dem Areal des Vergnügungsparks. Auf dem Bild aus dem Jahr 1909 ist das Luftschiff der Brüder Renner bei einem Flugversuch nahe der Rotunde zu sehen.

Foto: Wien Museum

Der wohl erste Themenpark der Welt fand ebenfalls im Prater seine Heimat: Ab 1895 ließen sich die Besucher in Gondeln durch die Kanäle von "Venedig in Wien" schippern.

Foto: Wien Museum

Ersonnen hatte die Kunstwelt mit ihren prächtigen Palazzi, künstlichen Kanälen und Operettenbühnen der Wiener Unternehmer Gabor Steiner.

Foto: Wien Museum

Über einige Jahre hinweg war das Wiener Venedig ein Publikumsmagnet ersten Ranges. Immer wieder kamen neue Attraktionen hinzu, wie etwa 1897 das Riesenrad.

Foto: Wien Museum

Doch bereits im Jahr 1901 waren die Wiener der Lagunenstadt überdrüssig. Mangels Besuchern wurde der Park in eine "Internationale Stadt" umgekrempelt.

Foto: Wien Museum

1913 versuchten die Organisatoren der Themenpark-Idee wieder Leben einzuhauchen. Die Adria-Ausstellung setzte mehr auf Volksbildung als auf pure Unterhaltung. Kosten spielten keine Rolle: Für die Schau wurde ein eigens gebautes Restaurant-Schiff im Prater zu Wasser gelassen.

Foto: Wien Museum

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Zeiten der riesigen Themen-Ausstellungen vorbei. Die großen Sensationen gab's fortan in miniaturisierter Form, wie etwa hier in einem Schaukasten der Liliput-Expressbahn aus dem Jahr 1958. (ssc, derStandard.at, 15.3.2012, Bilder: Wien Museum)

Mehr "Starke Männer" gibt es hier zu bewundern: facebook.com/WienMuseum

Foto: Wien Museum