Die Auslöschung jüdischen Lebens in Österreich ist nicht wieder gutzumachen. Das Mindeste, was von dieser Republik seit 1945 jedoch zu erwarten gewesen wäre, ist, nicht Nutznießer des Raubmords, nicht Komplize des Verbrechens sein zu wollen.

Die Regierung dieses Landes tut, als ginge es um Almosen. Wer Darlehen auf Geraubtes anbietet, wenn von Restitution die Rede ist, verleugnet die Verantwortung. Die Israelitische Kultusgemeinde hat den Ermordeten gegenüber die Pflicht, auf ein pekuniäres Einbekenntnis dessen, was ihnen angetan wurde, zu bestehen. Verlangt ist nicht Gnade vor Recht, sondern die Beseitigung jenes Unrechts, unter dem die Opfer seit über sechzig Jahren leiden.

Vollkommen unabhängig davon ist die Frage, wie viel dieser Regierung die Kultusgemeinde wert ist. Was wäre Wien ohne jüdische Kultur? Wie niederträchtig, sich der toten und ermordeten Juden zu berühmen, aber den lebenden nicht beizustehen.

Die jüdische Gemeinde ist nicht schuld daran, dass sie nicht mehr als Mäzen und Wohltäter der Allgemeinheit auftreten kann. Sie ist nicht schuld, wenn sie ihre Schulen und Bethäuser beschützen lassen muss.

Österreich hat die Aufgabe, der Kultusgemeinde zu geben, was zur Aufrechterhaltung jüdischer Existenz und Kultur nötig ist.

Ist das Kabinett bereit, seiner Verantwortung zur Restitution des Geraubten und zum Wiederaufbau jüdischen Lebens gerecht zu werden? Es ist an der Regierung zu klären, ob die Zweite Republik die Antithese zum Nationalsozialismus ist oder nicht. Robert Schindel Doron Rabinovici Robert Menasse (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.6.2003)