Wien - Das ist einer dieser Prozesse, bei denen man sich die Ohren zuhalten will. Die angeklagten Eltern wirken bieder. Das Auffälligste an der Mutter ist ihre Unauffälligkeit. Dem Stiefvater mit seinem sauber gestutzten Schnauzbart und dem Bemühen um aufrechte Haltung vermeint man täglich auf der Straße zu begegnen. Dieses Wiener Paar soll seine Tochter zwei Jahre lang sexuell missbraucht haben - in einer Art, wie sie dem Gericht bisher noch nicht untergekommen war.

Auspeitschungen mit der Reitgerte

Mit 15 ist das Mädchen von daheim ausgerissen. Im Kriseninterventionszentrum hat sie nur von den Auspeitschungen mit der Reitgerte erzählt. Der Großmutter vertraute sie auch die sexuellen Übergriffe an. Im August erstatteten sie Anzeige bei der Polizei.

Entjungferung zum Geburtstag

Vor zweieinhalb Jahren sei sie von den Eltern "aufgeklärt" worden. Sie sollen sie belehrt haben, dass es für ein Mädchen üblich sei, anlässlich des 14. Geburtstags vom Vater entjungfert zu werden. Die Mutter (36) soll ihr dafür eigens Reizwäsche gekauft und sie eingeschult haben, ehe die Tochter ins Schlafzimmer geführt wurde. Dort sei sie von ihrem 38 Jahre alten Stiefvater erstmals missbraucht worden.

Von da an habe es regelmäßig Sex zu dritt gegeben, oft im Lkw des Mannes, der damals für ein Transportunternehmen arbeitete. Aus einem Spanienurlaub erzählt sie schockierende Details von Praktiken wie aus einem Pornofilm. Die Mutter habe immer wieder den Wunsch geäußert, ihre Tochter dabei zu fotografieren. Bei einer Hausdurchsuchung wurden tatsächlich Fotos gefunden.

Die Eltern streiten alle sexuellen Übergriffe ab, wenngleich die Mutter zugibt: "Ich hab's gern, wenn eine Frau dabei ist, die ich verwöhnen kann." Bei den Fotos sei die Tochter zufällig ins Bild geraten. "Wir dachten, sie schläft", sagt der Vater.

Kein Hinweis auf Lüge

Die psychologische Gutachterin kann "keine Hinweise auf Lügenhaftigkeit" des Mädchens erkennen. Sie bescheinigt ihr eine "ungestörte Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit". Der Vater hingegen behauptet: "Das ist alles erstunken und erlogen. Das kann sie nur aus dem Lexikon haben." Es sei schon richtig, dass sie "ab und zu eine gescheuert bekommen" habe, gesteht die Mutter. "Den Rest hat sie erfunden, weil ich nicht gemacht habe, was sie wollte."

Der Prozess wird vertagt. Es wird jetzt ein weiteres medizinisches Gutachten eingeholt. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe 14.6.2003)