Wien - Seit dem Erscheinen ihrer Biografie 3096 Tage meldete sich Natascha Kampusch, die im März 1998 als Zehnjährige entführt wurde, selten zu Wort. Um ihren Fall wurde es aber nicht still. 2011 wurde gegen fünf Staatsanwälte wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Anklage wurde nicht erhoben, der Akt aber vom Justizministerium dem Parlament zur Prüfung im Stapo-Ausschuss übergeben.

Interviews, in denen der Ausschussvorsitzende Werner Amon (ÖVP) die Einzeltätertheorie zuletzt anzweifelte, heizten die Causa abermals medial an. Am Sonntagabend stritten sich in der ORF-Sendung Im Zentrum unter anderem der ehemalige OGH-Präsident Johann Rzeszut, der neue Ermittlungen anregte, und der Leiter der Grazer Staatsanwaltschaft, Thomas Mühlbacher, lautstark.

Am Montag meldete sich Kampusch in der ORF-Sendung "Thema" selbst zu Wort: Die Situation sie eine "enorme psychische Belastung" und "demütigend". Von Christoph Feurstein befragt, nannte die 24-Jährige das Gerücht, sie sei in Gefangenschaft bei Wolfgang Priklopil schwanger geworden, "empörend". Kampusch dementierte auch, unmittelbar nach ihrer Flucht einen Arzt, der bei der Polizei mit ihr sprach, gefragt zu haben, wie lange man eine Schwangerschaft nachweisen könne. (Das Protokoll des Arztes liegt dem Standard vor.) Kampusch sagte, sie habe diese Frage so nie gestellt, sondern sich für Biologie interessiert. Dass sich in ihrem Verlies ein Heft über Säuglingspflege fand, kommentierte der Wiener Oberstaatsanwalt, Werner Pleischl, in der selben Sendung mit: "Dergleichen besitzen viele junge Mädchen." 

Zum Vorwurf, sie decke einen Pädophilenring, sagte Kampusch: "Ich würde nie verhindern, dass solche Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden." Zur heute 26-jährigen Zeugin, die bei der Entführung zwei Männer gesehen haben will, meinte Kampusch: "Es kann schon sein, dass sich dieses Mädchen im massiven Schockzustand etwas eingebildet hat."

Den Freund Priklopils, Ernst H., den viele als Mitwisser verdächtigen, habe sie nach der Flucht angerufen, weil sie mehr über ihren Entführer erfahren wollte. Kampusch betonte, es gebe Details, die ihre Privatsphäre seien, und sie halte Freiheitsberaubung für "ein schwereres Verbrechen" als Missbrauch. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2012)