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Foto: APA/EPA/Irham

Nach den iranischen Parlamentswahlen gilt die mediale Aufmerksamkeit Ali Larijani - und das ist insofern gerechtfertigt, als der Parlamentspräsident als der exemplarische konservative Widersacher des präsidentialen Wirrkopfs Mahmud Ahmadi-Nejads gilt, der bei den Wahlen einen Denkzettel erhielt. Aber die Stunde könnte vor allem für den noch unbekannteren Gholam-Ali Haddad-Adel schlagen, der die konservative Liste in Teheran anführte. Er könnte Larijani als Parlamentspräsident ablösen, ein Posten, den er schon einmal, von 2004 bis 2008, innehatte.

Wie viele (wenige) Stimmen es wirklich brauchte, um in Teheran Nummer eins zu werden, wird noch Stoff für Dispute sein. Aber immerhin ist es eine klare Sache, anders als 2000, als Haddad-Adel bei den Wahlen auf dem 37. Listenplatz gelandet war und nur ins Parlament kam, weil der Wächterrat Hunderttausende Stimmen für ungültig erklärte. Lange Zeit fiel er nicht weiter auf, 2004 wurde er gleich Listenerster.

Gholam-Ali Haddad-Adel, geboren 1945 in Teheran, hat einen eindrucksvollen intellektuellen Hintergrund. Sein Doktorat hat er noch vor der Revolution in Philosophie in Teheran gemacht, aber auch sein Physikstudium hat er bis zum Master vorangetrieben, und er tritt als Philologe und Literat auf. Islamische Philosophie studierte er bei Ikonen wie Morteza Motahhari, der zwar ein Weggefährte Khomeinis war, aber in der Frage der Herrschaftsform von dessen Lehre abwich.

Wenn man jetzt anmerkt, dass Motahhari Schwiegervater Ali Larijanis war, landet man bei einem Phänomen, das man - auch - mitdenken muss im Iran. Eine Tochter Haddad-Adels ist nämlich mit dem Sohn des religösen Führers verheiratet: Mojtaba, der zweite Sohn Ali Khameneis, gilt als sehr einflussreich - und zukunftsträchtig, so sehr, dass bei oppositionellen Demonstrationen auch Slogans gegen ihn gerufen wurden: "Mojtaba, stirb, bevor du Führer wirst."

Also rechnen manche Iraner schon mit einer Erbdynastie in der Islamische "Republik". Kurzfristiger gedacht tippt man auf Haddad-Adel als möglichen nächsten Präsidenten, der Khamenei weniger Ärger bereiten würde als die Vorgänger. Für weniger wahrscheinlich wird die von westlichen Medien propagierte Ali-Larijani-Option gehalten: Für den Geschmack Khameneis gibt es angeblich bereits etwas zu viel Larijani-Power im Lande, denn auch Alis Brüder sind in wichtigen Positionen. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2012)