Dokumentarfilm über die größte Roma-Siedlung Südosteuropas in Bulgarien: " Im Ghetto".

Foto: Studio West

Salzburg - Über kaum eine gesellschaftliche oder ethnische Gruppe halten sich seit Jahrhunderten so viele Vorurteile wie über die Roma. Etwa zehn Millionen von ihnen leben in Europa, acht Millionen davon in EU-Staaten, was sie aber weder vor Diskriminierung noch brutaler Verfolgung mit bisweilen pogromartigen Zügen schützt. Die Salzburger Filmemacher Hermann Peseckas und Andreas Kraus werfen in ihrem Dokumentarfilm Im Ghetto. Die Roma von Stolipinowo (2008) einen Blick hinter die Kulissen, bei dem der Zusammenhang zwischen Armut und rassistischer Ausgrenzung ebenso sichtbar wird wie die Verleugnung der eigenen Identität. Stolipinowo heißt jenes Viertel der mittelbulgarischen Stadt Plowdiw, das mit seinen mehr als 40.000 Einwohnern das größte Roma-Ghetto Südosteuropas ist. Der Film rekonstruiert dessen Entstehungsgeschichte und beschreibt die extremen Lebensbedingungen aus dem Blickwinkel der Roma. Im Mittelpunkt steht ein 1991 gegründetes autonomes Selbsthilfezentrum, das nach Auswegen aus sozioökonomischer Misere und ethnischer Isolation sucht. Initiator und Leiter der NGO ist Anton Karagiosow, ein "bekennender" Rom und orthodoxer Christ, der mit einer " Türkin" verheiratet ist. Immer öfter bezeichnen sich Roma als bulgarische Türken. Diskriminiert werden beide Ethnien, wie der zweite Protagonist der Doku, Mehmet Popasa, ein Patriarch alten Stils und türkischer Restaurantbesitzer, zu berichten weiß. Unter den verheerenden Zuständen leiden Roma wie Türken: Dazu gehören die desolate Wasserversorgung, kein Strom, keine Kanalisation, keine Müllabfuhr, 90 Prozent Arbeitslosigkeit. Im Rahmen der Studio-West-Reihe "salty docs" zeigt Das Kino heute eine einmalige Sondervorstellung; im Anschluss Diskussion mit den Regisseuren. Freier Eintritt. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD - Printausgabe, 6. März 2012)