Die Angstnoppen stehen vom Hauptständer weg wie kleine Zitzen. Fußrasten gibt es auf den BMW Scootern C 600 Sport und C 650 GT ja keine. Ja, gut, die Beifahrerfußrasten auf der C 600 Sport, die gibt es schon. Aber wenn die erst einmal aufsetzen, lohnt wohl auch das nächste Volltanken nicht mehr.

C 600 Sport

Foto: BMW

Zu einem kleinen aber feinen Test treiben wir beide Modelle durchs Hinterland von Madrid und natürlich durch die Stadt selbst. Denn genau dafür sind sie konzipiert, die BMW-Roller, angedacht als Mobilitätslösung für Menschen in Großstädten, die das Suchen nach Parkplätzen leid sind, individuell, aber doch sparsam unterwegs sein wollen. Und das nicht nur innerstädtisch, sondern auch vom Speckgürtel ins Zentrum, oder am Wochenende hinaus aus der Stadt, dorthin wo das Leben der Gänseblümchen pulsiert.

C 600 Sport

Foto: BMW

In und um Madrid gibt es keine Gänseblümchen. Zwischen Yucca-Palmen und Kakteen winden sich die Straßen in herrlichen Kurven durch die Landschaft, während in der Stadt selbst fast immer Verkehrschaos herrscht. Zwischen Bussen und verdellten Autos schlagen wir uns den Weg mit dem C 600 Sport frei.

C 600 Sport

Foto: BMW

Ja, ja, trotz 647 Kubikzentimeter einem Gewicht von 249 Kilogramm ist er schmal und wendig genug, um nicht stecken zu bleiben. Aber Madrid hat seine Tücken. Der Asphalt ist mitunter recht glatt – und mit den 60 PS reißt der 600er Sport so an, dass das Hinterrad bald einmal mehr Schlupf als Grip hat. Beim ersten Mal schreckt es dich, beim zweiten Mal provozierst du es dann schon, weil sich der Roller so fein dirigieren lässt.

C 600 Sport

Foto: BMW

Anders ist das mit den starken Nerven auf den Landstraßen. Hin und wieder ist der Asphalt leicht feucht, dort und da glitzert Quarzssand auf dem Asphalt, und dann kann dir schon passieren, dass die Fuhr in der Kurve über beide Räder rutscht. Während du dich dann mit jedem anderen Roller so gut wie sicher zur Yucca legst, lässt sich der BMW ganz galant einfangen. Er schlägt nicht wild aus, hat keine bösen Überraschungen in den Federelementen versteckt.

C 650 GT

Foto: BMW

Das Fahrwerk ist wohl das, was die BMW Scooter auszeichnet – und dass es BMW, wie schon bei der GS geschafft hat, viel Gewicht sehr leicht erscheinen zu lassen. Noch nie zuvor hat jemand so viel Motorradfeeling auf den Scooter übertragen. Lediglich die Gabel ist nicht verstellbar – aber wer nicht, wie ein Kollege andachte, selbst über hundert Kilo auf die Waage bringt und seine dicke Mama mitnehmen will, wird damit kein Problem haben. Außerdem fährt man mit einem Big-Scooter keine Rennen.

C 600 Sport

Foto: BMW

Ganz anders die Motorrad-Journalisten-Kollegen, die gemeinsam mit mir bei der Präsentation geladen waren. Die Burschen drehen am Gas, als gäbe es kein Morgen. In den Pausen tauschen sie kleine Tipps aus, wie man noch schneller aus der Kurve feuert – denn spät bremsen und früh ans Gas gehen ist hier nicht mehr genug.

C 650 GT

Foto: BMW

Um den Antrieb auf Zug zu halten und das CVT-Getriebe schon auf den Apex vorzubereiten, bleiben sie sogar beim Anbremsen leicht am Gas und verzögern etwas stärker mit der Hinterbremse. Wenn du dann am Kurvenscheitel die Bremse öffnest, schießt der Scooter aus dem Eck, dass die Kollegen sogar deutlich stärkere Motorräder vorgeführt haben.

C 650 GT

Foto: BMW

Wer weiß, wie man ein Motorrad bedient, wird mit der C 600 Sport, oder der C 650 GT richtig schnell sein. Diese knackigen Bremsen hat es im Rollerbereich so wohl noch nicht gegeben. Allein am Hinterrad regelt das ABS recht früh – wohl eines der wenigen Zugeständnisse an die typischen Rollerfahrer, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie sich um nichts als ums Tanken und Fahren kümmern wollen.

C 650 GT

Foto: BMW

Wegen dieser Klientel hat BMW auch eine Kette für den Antrieb verbaut, die im ersten Anlauf erst nach 20.000 Kilometern zum Service muss. Die Techniker haben dieses Intervall auf der sicheren Seite geplant, und es ist durchaus möglich, dass dieses Serviceintervall nach den ersten breiten Praxiserfahrungen noch ausgedehnt wird.

C 650 GT

Foto: BMW

Ein Riemenantrieb musste genau wegen dieser geplanten „Wartungslosigkeit" ausfallen. Wollte man ihn komplett wartungsfrei halten, müsste man den Antrieb kapseln, damit kein Schmutz hineinkommt – dann hätte man aber thermische Probleme erzählt Wolfgang Mattes, Leiter Entwicklung Antrieb BMW Motorrad.

C 650 GT

Foto: BMW

Damit der Antrieb so lange hält, ist die Aufhängung des Hinterrades so konstruiert, dass es zu keiner Dehnung der Kette beim Ein- und Ausfedern kommt. Ebenso einfallsreich sind die Gepäcklösungen von BMW. Der Touren-Scooter C 650 GT fasst von Haus aus rund 60 Liter und lässt sich mit jeder Menge Taschen und Koffer aufrüsten. Der sportlichere C 600 Sport hat natürlich weniger Stauraum – für den kleinen Einkauf ist unter der Sitzbank aber trotzdem Platz. Nur zwei Helme gehen sich darunter nicht aus – also beim Fahren. Am Stand schon, denn dann klappt man im Heck einfach das FlexCase heraus und hat Stauraum ohne Ende.

C 600 Sport

Foto: BMW

Der Stauraum ist auch schon der größte Unterschied der beiden Roller. Im Grunde sind sie ident, was den 647 Kubikzentimeter starken Motor, das Fahrwerk und den Rahmen betrifft. Die Hülle ist eine andere, die Sitzposition ist auf dem GT durch den höher positionierten Lenker komfortabler, und während der C 600 Sport auf Pirellis steht, rollt der GT auf Bridgestone.

C 650 GT

Foto: BMW

So gering sich der Unterschied anhört, ist doch überraschend, wie unterschiedlich die Roller zu fahren sind. Der GT wirkt einfach einen Tick harmonischer – egal ob im Vollfeuer-Modus bei 180 km/h auf der Autobahn, oder im Winkelwerk Kastilliens.

C 650 GT

Foto: BMW

Und was heißt das am Ende? BMW hat sich wieder einmal getraut, in ein bestehendes und wohl gesättigtes Segment einzusteigen und dort vom Stand weg die Karten neu zu mischen. So wie sie es auch schon mit der S 1000 RR machten. Während die Supersport-BMW nicht nur aus der Kiste raus sofort die gesamte Konkurrenz schlecht dastehen hat lassen, war sie auch noch unverschämt günstig.

C 650 GT

Foto: BMW

Wie weit Ersteres gilt, werden die Vergleichstests im Frühjahr zeigen. Yamahas T-Max hat nun eine knochenharte Konkurrenz bekommen, und sein Platz an der Spitze ist jetzt wirklich in Gefahr. Nur preislich kann sich der große T-Max mit seinem Aktionspreis von 10.999 Euro wohl noch mehr Freunde machen als BMW, die für den C 600 Sport 11.500 und für den C 650 Sport 11.850 Euro aufrufen. Doch der reguläre Listenpreis für den T-Max liegt da mit 12.999 Euro doch noch einmal deutlich drüber.

C 650 GT

Foto: BMW

Ab April kommen die beiden BMW-Roller in den Handel – und spätestens im Mai werden sie auf den Hausstrecken eine gefährliche Konkurrenz sein. Doch es wird Jahre dauern, bis es gesellschaftlich akzeptiert wird, von einem Roller paniert zu werden.

C 650 GT

Technische Daten
BMW C 600 Sport/ BMW C 650 GT

Motor: 2 Zylinder-4-Takt-Motor
Hubraum: 647 ccm
Leistung: 44 kW (60 PS) bei 7.500 U/min
Drehmoment: 66 Nm bei 6.000 U/min
Kraftübertragung: CVT-Automatik, Kette in Ölbad
Radaufhängung vorne: USD-Gabel
Radaufhängung hinten: Einarm-Schwinge
Bremse vorne: Doppel-Scheibenbremse, Ø 270 mm, 2-Kolben, ABS
Bremse hinten: Scheibenbremse, Ø 270 mm, 2-Kolben, ABS
Reifen vorne: 120/70 15"
Reifen hinten: 160/60 15"
Gewicht vollgetankt: 249 kg (C 600 Sport), 261 kg (C 650 GT)
Tankinhalt: 16 l
Sitzhöhe: 810 mm (Serie bei C 600 Sport), 780 mm (Serie bei C 650 GT)
Preis: ab 11.500 Euro (C 600 Sport), 11.850 Euro (C 650 GT)

Foto: BMW