Bemühte Provokation: "Wir kommen".

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Es braucht nur zwei Sätze, um Inan Türkmens "Wir kommen" zusammenzufassen. Erstens: Der Anteil der TürkInnen in Europa nehme zu. Zweitens: Das sei eine gute Nachricht, denn Menschen aus der Türkei seien jung, ehrgeizig, familienbewusst, echt cool, nicht so oft betrunken und jedenfalls seltener depressiv.

Auf 96 Seiten gibt der 24-jährige Betriebswirtschafts-Student, Sohn eines Schweißers und einer Putzfrau aus Linz, "die österreichische Antwort auf Thilo Sarrazin" - zumindest lautet so der etwas verkrampfte Versuch des Verlags, sich Rückenwind durch den deutschen Populärsachbuch-Superseller zu verschaffen. 

Jünger, größer, stärker

Wie Sarrazin erklärt auch Türkmen "die Türken" zu einer homogenen Gruppe - und damit meint er alle türkeistämmigen Menschen, egal ob in der Türkei oder in der Diaspora lebend, egal ob erste, zweite oder dritte Generation. Diese Gruppe weise gewisse Eigenschaften auf: TürkInnen seien strebsamer, sie hätten mehr Gespür für technologische Neuerungen, sie seien stolz auf ihre Wurzeln, die türkische Bevölkerung sei jünger und wachse zügig, deren Wirtschaft auch, und das alles werde dazu führen, "dass sich die Türken in Europa durchsetzen", so Türkmen.

Das klingt nach Programmschrift, ist es aber nicht. Türkmen formuliert flapsig, oft selbstironisch, witzelnd. Zum Stellenwert der Türkenbelagerung im österreichischen Geschichtsverständnis heißt es hier: "Die Schweden, Franzosen und Preußen haben Österreich auch angegriffen, aber Schwamm drüber. Daran denkt keiner mehr. Viele Österreicher denken lieber an die Türkenbelagerung, weil sie in diesem Fall gewonnen haben. Das ist für sie so ähnlich wie Argentinien 1978, als sie bei der Fußballweltmeisterschaft Deutschland mit 3:2 geschlagen haben."

Kurdisch-türkisch

Die schärfste Kritik erwartet Türkmen nicht von jenen, die sich an seiner reduktionistischen Darstellung stoßen, sondern von den türkeistämmigen Zugewanderten selbst: Der, der hier "das Türkische" zum Leitprinzip erkärt, ist Sohn kurdischer Aleviten. 

Sein Buch sei nicht mehr als eine Reaktion, gesteht Türkmen. Er wollte antitürkischen Ressentiments "meine persönliche Erfahrung" entgegensetzen. Der Text, eine Mischung aus Türkei-Werbeprospekt, Schüler-Erlebnisbericht und bemühter Provokation, liest sich flott. Debatten wird er nicht anheizen. (mas, derStandard.at, 29.2.2012)