Zahlreiche Postkarten zeugen von der Hoch-Zeit des "Leap Day" Ende des 19. Jahrhunderts.

Foto: http://en.wikipedia.org (PD-US)

Am 29. Februar herrscht in Großbritannien beziehungstechnischer Ausnahmezustand. Alle Schaltjahre wieder fallen Frauen auf die Knie, ziehen Ringe aus der Tasche und halten um die Hand eines auserwählten Mannes an. Auslöser dafür ist eine alte nordeuropäische Tradition, die der Legende nach auf den heiligen Patrick zurückgeht, der diesen damals außerhalb des Gesetzes stehenden Tag dazu auserkor, auch den Frauen das Recht zum Heiratsantrag einzuräumen. Auch wenn es in emanzipierten Kreisen skurril anmuten mag, ist der Mythos des "Leap Day" ungebrochen populär und sorgt auf den Britischen Inseln alle vier Jahre aufs Neue für Medienecho und einfallsreiche Geschäftsideen.

Schlupfloch in die Selbstbestimmung

Der Legende nach hat der "Leap Day" seinen Ursprung im Irland des fünften Jahrhunderts. 1288 erfuhr er durch Königin Margaret von Schottland seine gesetzliche Manifestation: "Kraft des Amtes Ihrer königlichen Majestät sei es jeder Jungfrau, ob aus armem oder reichem Hause, erlaubt, einem Mann, den sie mag, einen Antrag zu machen. Wenn er sich weigert, sie zu seiner rechtmäßigen Ehefrau zu nehmen, muss er eine Strafe von mindestens einem Pfund oder weniger bezahlen, je nach seinen Verhältnissen. Wenn er allerdings nachweisen kann, dass er verlobt ist, so soll er frei sein", wird die Verordnung in der "Encyclopedia Britannica" zitiert. Im 19. Jahrhundert erlebte der "Leap Day" seine Blütezeit. Die damals stark eingeschränkten Frauen nutzten ihn geschickt dazu, selbst die Partnerwahl zu treffen und damit einer Verlobung durch den Vater zu entgehen.

Hunderte Jahre später werden die damaligen Erkennungszeichen wie der blutrote Petticoat immer noch in Ehren gehalten, "Leap Day"-Partys sorgen unter Singles für Aufregung, und in Feuerwehrhäusern laden "Leap Day"-Bälle zum Tanz. Auch die geschäftstüchtigen Geister wissen die Begeisterung für sich zu nutzen. So hat Yahoo für 2012 die britischen Frauen in einem Wettbewerb dazu aufgerufen, die einfallsreichsten Heiratsanträge für den 29. Februar einzusenden. Die Gewinnerin bekommt ein Auto und wird von einem Kamerateam zum Kniefall begleitet, das den Film anschließend auf die Yahoo-UK-Webseite bringt. Unterstützung visueller Art bietet auch die Engländerin Bethan Edwards auf der Plattform Fiverr: Sie fertigt für fünf Dollar selbst gemachte Video-Heiratsanträge an.

"Den Männern zeigen, wo's langgeht"

"The Ladies' Privilege", wie das Sonderrecht am "Leap Day" respektvoll genannt wird, bot in einer Zeit, als Frauen kaum Rechte hatten, ein Schlupfloch, um selbstbestimmt sein Leben zu lenken. Und wie sagte schon die großartige Zsa Zsa Gabor, die der Legende nach jedem ihrer neun Ehemänner selbst den Heiratsantrag machte: "Eine Frau muss einem Mann zeigen, wo's langgeht." (Tatjana Rauth, derStandard.at, 29.2.2012)