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Präsident Chávez begab sich am Freitag nach Kuba, wo er sich am Dienstag sich einer weiteren Operation unterzog. Das Bild zeigt ihn auf dem Weg zum Flughafen.

Foto: Reuters/Edwin Montilva

Die am Montag veröffentlichten internen Mails der US-Beraterfirma Stratfor erlauben einen Einblick in die Arbeitsabläufe des Thinktanks. Anhand eines Beispiels aus dem Dezember 2011 ist zu erkennen, wie schwer es sein kann, Quellen richtig einzuschätzen.

Zuerst berichtet die Stratfor-Vertreterin in Venezuelas Hauptstadt Caracas, sie habe exklusive Informationen über den Gesundheitszustand von Präsident Hugo Chávez. Ein Anhänger der venezolanischen Opposition, dessen Glaubwürdigkeit sie selbst mit "B" qualifiziert, habe Zugang zum Mailverkehr der behandelnden Ärzte.

Dort sei zu lesen, dass es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den russischen und kubanischen Mitgliedern des Ärzteteams gekommen sei. Weil die erste Operation des venezolanischen Präsidenten nicht den erwarteten Erfolg gebracht habe und der Patient ständig eigenmächtig seine Medikation absetze, gingen die Mediziner von einer Lebenserwartung von ein bis zwei Jahren aus.

Schlaganfall war ein Gerücht

Solche Gerüchte sind in Lateinamerika alltäglich: Nur wenige Tage vor dem Stratfor-Mail wurde tausendfach retweetet, Chávez sei "offenbar" in ein Militärspital eingeliefert worden, nachdem er während eines Interviews einen Schlaganfall erlitten habe. Umgehend trat der Präsident vor die Fernsehkameras und widerlegte die Meldung.

Auch Stratfor-Gründer George Friedman hat seine Bedenken: Er antwortet auf die "Geheiminfo" unter anderem, die Mitarbeiterin müsse "lernen, Quellen einzuschätzen". Diese wendet ein, sie halte die Meldung für glaubwürdig, weil sie dies seinem Informanten "an den Augen abgelesen" habe.

Der Mailwechsel endet mit einer Belehrung: Gerade weil Friedman in Caracas Ähnliches vernommen habe, sei davon auszugehen, dass es sich um ein Gerücht handle. Er erklärt seiner Mitarbeiterin, sie müsse "Kontrolle über die Quelle übernehmen - finanzielle, sexuelle oder psychologische Kontrolle". Falls diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, sei die angebliche Information nichts weiter als ein unbestätigtes Gerücht.

Kaum Chancen für Opposition

Für die venezolanische Opposition, die sich gerade darauf geeinigt hat, Henrique Capriles Radonski als Einheitskandidaten in die Präsidentenwahl im Oktober zu schicken, hat die Stratfor-Mitarbeiterin wenig Hoffnung: Sowohl Capriles als auch seine Mitbewerber Leopoldo Lopez und Marina Corina Machado gehörten der Gesellschaftsschicht "A++" an und seien deshalb bei der Wählerschaft des Präsidenten, die sich aus den Schichten D und E rekrutiere, entsprechend unbeliebt. Chancen auf einen Wahlsieg räumt sie lediglich Pablo Pérez Álvarez, dem Gouverneur des Bundesstaates Zulia, ein, der aber nicht kandidiert. (bed, derStandard.at, 28.2.2012)