Birgitte Nyborg, immer im Fokus der Medien.

Foto: Arte / Mike Kollöffel/DR

Da wäre dem Fernsehauge beinahe etwas entgangen, doch das Stichwort "Frauenquote" ließ den Fernbedienungsdaumen bei Arte stoppen. Nicht, weil es medial so unterrepräsentiert wäre, nein. Aber Frauenpolitik in einer Serie? Häh?

"Borgen. Gefährliche Seilschaften" beschert uns die überraschende Kombination, eine Serie, die leider schon auf das Finale der ersten Staffel am 8. März zugeht. In Doppelfolgen zeigt Arte seit 9. Februar die Serie, die im Milieu der dänischen Innenpolitik spielt und deren zentrale Figur Premierministerin Birgitte Nyborg ist. Der fiktionale Plot ging der Politik-Realität Dänemarks voraus: Im Herbst 2010 ging die Serie im dänischen öffentlich- rechtlichen DR auf Sendung, ein Jahr später hatten die DänInnen mit Helle Thorning-Schmidt tatsächlich ihre erste weibliche Premierministerin, die mit Birgitte Nyborg nicht nur das Amt teilt: Beide sind um die 40, haben eine friedensaktivistische Vergangenheit, geschiedene Eltern, sind verheiratet und ziehen zwei Kinder groß.

Ein einziges Pokerspiel

Ob auch der Arbeitsalltag einer echten Premierministerin so aufregend ist wie der von Birgitte Nyborg? Denn obwohl weder "dänische Politik" noch "Polit-Serie" rasende Spannung versprechen, ist "Borgen" (wie der Sitz des Parlaments und der Ministerpräsidentin in Dänemark heißt) das Gegenteil von fad. Es geht um Einflussnahme der Industrie auf die Politik, enge und höchst private Kontakte zwischen Presseleuten von MinisterInnen und JournalistInnen samt entsprechender Nutzung, Machtkämpfe zwischen Wirtschaft und Politik, gebrochene Versprechen zur Auslieferung politisch Verfolgter - ein einziges Pokerspiel! 

In diesem spielen auch die karrierebewusste TV-Journalistin Katrine Fønsmark und Nyborgs wenig vertrauenswürdiger Berater Kasper Juul eine wichtige Rolle, wie auch die verschiedensten MinisterInnen. In der vorletzten Folge wurde etwa die Wirtschaftsministerin aus Nyborgs Kabinett zur Zielscheibe, als sie bestimmt und hartnäckig eine gesetzliche Frauenquote für private Unternehmen forderte, wobei sie grundsätzlich auch die Premierministerin auf ihrer Seite hatte. Doch so einfach läuft das eben nicht.

Industrie will die Politik diktieren

Reißerische Medienberichte über die promiskuitive Vergangenheit der Ministerin waren die Folge ihres frauenpolitischen Vorstoßes. Auch ein mächtiger Industrieller - gewohnt, seine VerhandlungspartnerInnen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik in die Knie zu zwingen - goutierte diesen Vorschlag nicht und drohte gleich mit der Verlagerung seines Unternehmens ins Ausland. 

"Ich lasse mir nicht vorschreiben, wer für mein Unternehmen arbeitet, wir suchen einfach die Besten", sagte der mächtige Mann. "Wie erklären Sie es dann, dass in Ihren Unternehmen keine Frauen in wichtigen Funktionen sitzen?", entgegnete Nyborg - tausendmal gehörte Argumente werden in "Borgen" dank ihrer Dramaturgie zu einem fesselnden Krimi. 

Für Spannung sorgt auch die in jeder Folge angeschnittene Frage nach der Integrität von Birgitte Nyborg. Wie viel Handel ist sie bereit zu treiben, um ihre politischen Ziele durchzusetzen? Wie weit geht ihre Kompromissbereitschaft? Wie viel ist von ihrer idealistischen Vergangenheit geblieben? Und schließlich: Hält ihre Ehe das alles aus? 

"Borgen" ist zweifelsohne der beste Serien-Nachschub seit langem, von dem dank 1,5 Millionen interessierter DänInnen bereits die dritte Staffel produziert wurde. Bleibt zu hoffen, dass die SeherInnen im deutschsprachigen Raum dranbleiben und somit auch Arte. Oder vielleicht kommt ja gar der ORF drauf, was es alles an qualitativem Fernsehen gibt. (dieStandard.at, 29.2.2012)