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Mit 92,9 Prozent von 664 Stimmen wurde Manfred Juraczka zum neuen Wiener ÖVP-Obmann gewählt.

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Christine Marek verabschiedet sich: "Es war eine spannende Zeit."

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Neustart für Wien - unter diesem Motto hat die Wiener ÖVP am Samstag ihren Parteitag im Messezentrum beim Prater abgehalten. Die Basis hatte in den letzten Monaten einige Rückschläge zu ertragen. Ein desaströses Wahlergebnis, Chefin Christine Marek, die bei den Wien-Wahlen binnen weniger Monate ihr Bunter-Vogel-Image loswurde. Und dann die zermürbend lange Suche nach ihrem Nachfolger. Staatssekretär Sebastian Kurz, EU-Delegationsleiter Othmar Karas und Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank hatten sich bald selbst aus dem Rennen genommen. Schließlich wurde der nicht-amtsführende Stadtrat Manfred Juraczka als neuer Chef der ÖVP Wien gefunden. 92, 9 Prozent der Delegierten wählten ihn am 34. ÖVP-Landesparteitag am Samstag zum Obmann.

Smarties für die Laune

Smarties sind den Tagungsmappen beigelegt. "Schwarz ist bunt" steht auf den Zellophanpäckchen, die die ÖVP extra für ihren Neustart anfertigen ließ. Nicht nur die Schokozuckerl, sondern auch die Parteigranden sind zugegen, um die Basis in möglichst gute Stimmung zu versetzen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, hier liebevoll "die Hanni" genannt, verteilt Bussi links und Bussi rechts an ausgewählte Führungskräfte. Juraczka begrüßt die Parteigänger schon am Eingang. Braungebrannt gibt er den neuen Sunnyboy der Wiener Bürgerlichen. Seine Aufregung kann er aber nur schwer verbergen.

Während das schwarze Urgestein Fritz Neugebauer schon auf seinem Ehrenplatz in sich ruht, nimmt Sebastian Kurz ein Bad in der Menschenmenge. Niemand sonst schüttelt heute wohl so viele Basishände wie er. Dass Kurz die Herzen seiner Parteifreunde erobert hat, wird später auch das Wahlergebnis zeigen: Mit 97,9 Prozent wurde er zu einem von sechs Stellvertretern gewählt. "Hallo Sebastian", ruft ihm eine alte Dame zu. Händeschütteln. Strahlen. In ihren Reden werden Parteichef Michael Spindelegger und Juraczka ihr "politisches Talent" Sebastian Kurz später mehrfach in den Himmel heben.

Wellness für Marek

Was den neuen Parteiobmann Juraczka betrifft: Die Stimmung der Basis könnte man als verhalten bis abwartend bezeichnen. Bemerkungen wie "wir müssen ihn einmal ein paar Monate arbeiten lassen" oder "er wird das Ruder auch nicht herumreißen, weil ihn niemand kennt" sind den Parteigängern zu entlocken.

Die letzten Monate scheinen auch Christine Marek noch in den Knochen zu sitzen. Mit den Worten "Es war eine spannende Zeit. Ich habe nur eine Bitte an euch: Unterstützt den Manfred Juraczka, er wird es brauchen", nimmt sie Blumen und einen Wellnessgutschein entgegen. Interimschefin Gabriele Tomandl bedankt sich bei Marek für ihre Arbeit, "nachdem du am 9. September überraschend die Landesparteiobfrau aufgegeben hast". Verhaltener Applaus im Publikum. Nationalratsabgeordneter Ferry Mayer wird später noch von einem "schlechten, aber sehr teuren Wahlkampf 2010 mit den wenigsten Wählern in der Geschichte" sprechen.

Dafür wartet Mikl-Leitner mit Tipps für Juraczka auf: Alle Funktionäre müssten motiviert werden, denn: "Wir brauchen jeden einzelnen Funktionär, um die Menschen anzusprechen." Außerdem solle die ÖVP Wien Verteilaktionen bei den U-Bahnstationen starten. Kurz ergänzt, wie er mit dem Gegenwind bei seinem Amtsantritt fertig geworden ist: "Ich habe gleich zu Beginn Sacharbeit geleistet."

Leistung für alle

Und dann betritt Parteichef Spindelegger den Saal. Über 600 Delegierte stehen auf. Applaus. "Schon beim Reinkommen habe ich die gute Stimmung gespürt", sagt Spindelegger. Dann berichtet er von zehn harten Wochen Arbeit mit dem Koalitionspartner, dem man endlich das Sparen beibringen will. Seine Leistungen: Er habe verhindert, dass "wir die Bauern opfern" und dass "jemand, der sich aufgrund seiner Tüchtigkeit etwas anspart, enteignet wird". Wieder lauter Applaus.

Juraczka kommt auf die Bühne. Er streicht jene Werte heraus, die sich in die "DNA der ÖVP eingebrannt haben": Freiheit, Gerechtigkeit, Leistung. Er wettert gegen die "linke Gleichmacherei von der Wiege bis zur Bahre". Aber: "Ohne Leistung geht's nicht" und die Leistung sei ein Begriff, den man weiter fassen müsse. Auch Ehrenamtliche würden schließlich etwas leisten. Die "Sozialisten" machten einen großen Fehler: "Sie verwechseln Gerechtigkeit mit Gleichheit." Aber: "es ist nicht gerecht, Kinder in eine gleichmacherische Gesamtschule zu stopfen." Der "nicht amtsführende Bürgermeister Michael Häupl" kriegte auch noch sein Fett ab, genauso wie Maria Vassilakou und die Grünen, die "die wahren Spießbürger in dieser Stadt sind". Und die FPÖ verbreite eine "Politik der Angst". Dann bricht Juraczka noch eine Lanze für die Integration und die Autofahrer - "die nicht per se böse" sind. Abstimmung. Schnitzelsemmeln. Abgang.

Rechte für die Basis

Fazit des Tages: Große Revolutionen und Ansagen sind ausgeblieben. Einen kleinen Aufstand der Basis hat man gekonnt abgeschmettert: Gerhard Pfeiffer, Bezirkspolitiker in Döbling, wollte mit seinem Antrag dafür sorgen, dass die Bezirke und Wahlkreise selbst bestimmen können, wer den ersten Listenplatz übernimmt. Bislang bestimmt die Landespartei, wer den ersten Listenplatz einnimmt und somit Aussicht auf den Einzug in den Landtag/Gemeinderat hat: "Es fehlt aber die Motivation der Basis, wenn man von vorneherein nichts werden kann", kritisiert Pfeiffer.

Ob nicht doch Sebastian Kurz der bessere, weil unbeschwertere VP-Wien-Chef gewesen wäre? "Den verheizen wir nicht. Aus ihm machen wir den Bundeskanzler", ist ein anderer Funktionär überzeugt. (burg, derStandard.at, 25. Feber 2012)