Ein Hilferuf von Edith Bouvier ("Figaro") und William Daniels ("Sunday Times") aus Syrien.

Foto: Screenshot/Youtube/Syria Pioneer

Das diplomatische Räderwerk läuft also neu an: der einstige UN-Generalsekretär Kofi Annan soll im Namen der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga in Syrien vermitteln. Auch Russland applaudiert. An der Situation in Syrien ändert sich allerdings vorerst gar nichts. Weiterhin ist Homs ununterbrochen unter Beschuss, nach wie vor ist ungeklärt, ob die sterblichen Überreste von Marie Colvin und Rémie Orlick in ihre Heimatländer überführt werden können. Vielleicht sind sie ja auch bereits in Homs irgendwie, irgendwo begraben. Leichenschauhäuser westlichen Standards samt Kühlräumen gibt es nicht. Es gibt ja nicht einmal für Überlebende eine adäquate ärztliche Versorgung. Ungeachtet aller Opfer legen die regierungstreuen Truppen in unverminderter Brutalität Wohngegenden in Schutt und Asche.

Hilferuf aus Syrien

Via Youtube bittet die schwer verletzte "Figaro"-Berichterstatterin Edith Bouvier von ihrem provisorischen Krankenlager aus um Hilfe. Der "Sunday Times"-Fotograf William Daniels wiederholt den Appell ebenfalls auf Französisch (siehe Video links). Ein syrischer Arzt erklärt in arabischer Sprache, sie müsse dringend operiert werden. Notwendig sei ein Krankenwagen mit ärztlichem Equipment, um Bouviers Leben zu retten und sie in den Libanon zu bringen. Bouvier hatte mehrere Brüche erlitten, am selben Tag, am selben Ort, wo Marie Colvin und Rémie Orlick gestorben waren. Während sie in dem Video spricht, ist im Hintergrund starkes Kriegsgeräusch zu hören. Die Situation ist völlig desolat.

Shadids Verzweiflungstat

Kein Mitleid mit den Opfern. Laut der nationalen Nachrichtenagentur SANA weist die syrische Regierung jede Verantwortung für den Tod von JournalistInnen zurück, "die sich auf eigenes Risiko in Syrien eingeschleust haben, ohne dass die syrischen Behörden über ihre Ankunft und ihren Aufenthaltsort informiert wurde und wird." Angespielt wird hierbei auch auf den prominenten "New York Times"-Korrespondenten Anthony Shadid. Shahid hatte vergangene Woche versucht, sich auf einem Pferd in die Türkei zu retten. Eine Verzweiflungstat angesichts seiner schweren Pferde-Allergie. Während des Rittes erstickte er im Zuge einer durch die Krankheit bedingten Asthma-Attacke.

Schwarze Woche für Journalisten

Doch es sind nicht nur westliche JournalistInnen, die in Syrien in Lebensgefahr sind, ihr Leben verlieren. Auch Rami al-Sayyed, einer der mutigsten, lokalen Journalisten von Homs, starb in dieser schwarzen Woche. Bekannt geworden unter den Namen Rami Abou Maryam und durch seinen Livestream "Syria Pioneer", informierte er unermüdlich die Welt über all das Grauen und Morden in Homs. Während der vergangenen 18 Tage hatte er ununterbrochen den dortigen Krieg gegen die Bevölkerung dokumentiert. Auch er wurde am Mittwoch von einem Schrapnell getroffen, auch ihm konnten Ärzte nicht mehr helfen. Donnerstag zeigte Syria Pinoeer nur noch ein Bild des verstorbenen Rami al-Sayyed, aufgenommen von seinem Bruder. Rami hinterlässt eine 16 Monate alte Tochter. In seinem letzten Bericht hatte er von neuerlichen Massakern in Holms gewarnt.

Sarkozy bittet um humanitäre Hilfe

Für die Freilassung von Bouvier setzt sich inzwischen vehement Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy ein. Er spricht von Mord an Journalisten und von einem gezielten Einsatz gegen das Journalistenhaus, in dem Colvin und Orlick zu Tode kamen, wo Bouvier lebensgefährlich verletzt wurde. Er verlangt von der syrischen Regierung, humanitäre Hilfe zuzulassen. Bisher keine Antwort aus Damaskus.

Appell von Reporter ohne Grenzen

In Erinnerung an Rami al-Sayyed und in seinem Namen appellieren wir JournalistInnen, den Gräuel in Homs ein Ende zu setzen. In diesem Sinne fordert Reporter ohne Grenzen gemeinsam mit über 30 anderen internationalen NGOs zugleich die syrische Regierung auf, jene Menschenrechtsaktivisten wieder auf freien Fuß zu setzen, die am 16. Februar überraschend in der syrischen Hauptstadt verhaftet worden waren. Unter den 16 Inhaftierten ist auch Mazen Darwish, der Leiter des syrischen Zentrums für Medien- und Meinungsfreiheit SCM. Bisher keine Antwort aus Damaskus.