Eine Dschelada-Familie im Hochland Äthiopiens: Drei Weibchen mit Jungtieren mit einem Männchen im Hintergrund.

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Ein junger Dschelada auf dem Kopf seiner Mutter. Weibchen beugen durch Fehlgeburten dem Kindsmord durch das neue Männchen vor.

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Washington - Sie heißen Dscheladas, gehören zu den Pavianen und sind sehr selten. Die Tiere kommen ausschließlich im Hochland von Äthiopien in 2200 bis über 4400 Metern Seehöhe vor, wo sie sich - als einzige Primatenart überhaupt - praktisch rein vegetarisch ernähren. Ihr auffälligstes Merkmal ist ein roter, haarloser Fleck auf der Brust, der bei Männchen sanduhrförmig und in der Brunftzeit knallrot ist. Und dem verdanken die Tiere auch ihren deutschen Namen: Blutbrustpavian.

Biologen um Eila Roberts von der US-Universität Michigan berichten nun in der Fachzeitschrift Science von einer verblüffenden Entdeckung: Weibliche Blutbrustpaviane haben oftmals eine Fehlgeburt, wenn ein neues dominantes Männchen in ihre Gruppe kommt. Damit wollen sie verhindern, ein ohnehin "verdammtes" Kind zur Welt zu bringen. Denn das neue Männchen tötet oft den Nachwuchs, der nicht von ihm gezeugt wurde. Dieser sogenannte Bruce-Effekt, der vor einem halben Jahrhundert von der Biologin Hilda M. Bruce an gefangenen Mäusen entdeckt wurde, sei damit erstmals an wildlebenden Tieren nachgewiesen, schreiben Roberts und ihre Kollegen.

Ihr Team untersuchte fünf Jahre lang eine Population wilder Blutbrustpaviane im äthiopischen Simien Mountains Nationalpark. Sie zählten die lebend geborenen Jungaffen in Gruppen, in denen sich ein neues Männchen etabliert hatte. Außerdem sammelten sie Kot, um anhand der enthaltenen Hormone festzustellen, welche Weibchen trächtig waren und seit wann. Das Ergebnis ihrer Studie: 80 Prozent aller Schwangerschaften wurden in den ersten Wochen nach Ankunft des neuen Männchens abgebrochen.

Die Dschelada-Gruppen werden im Normalfall von einem Weibchen geleitet, haben aber auch ein Männchen. Der Schwangerschaftsabbruch scheine sich für die Weibchen aus evolutionärer Sicht zu lohnen, da ihr Nachwuchs ansonsten in Gefahr schwebe, getötet zu werden. Damit könne man den Bruce-Effekt als eine erfolgreiche Anpassungsstrategie betrachten. Sie maximierten ihre Kinderzahl in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 24.02.2012)