"Bist du jung, gesund und frei, komm zur Wiener Polizei." So verlockende Slogans kitzeln unsere Reflexe, wenn es um den neuen Continental GT V8 geht, den frischesten Bentley seit ewig.Na ja, "seit ewig" ist übertrieben. Die Marke Bentley hatte ja ursprünglich ein äußerst flottes Image, das vor allem den jungen Lords trefflich zu Gesicht stand. Sie gingen zur Quasi-Maturareise nach Le Mans und hatten hinreißende Begleiterinnen.

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Erst 1931, als die Firma von Rolls-Royce geschluckt und als Zwillingsmarke weitergeführt wurde, kam eine eher gravitätische Gangart ins historische Getriebe. Seit 1998, der Übernahme durch VW, geht's wieder flotter (und unvergleichlich erfolgreicher) dahin, und der neue V8 ist der vorläufige Höhepunkt dieser Jugendfrische, die allenfalls durch fade Sechsstelligkeiten auf dem Preiszetterl gebremst wird. Bei allem Elan: Wir sind halt noch immer im Niemandsland oberhalb Porsche, bei zweihunderttausend.

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An der Nebenfront: Auch der Slogan, der sich bei unsereins so reflexartig zurückmeldet, wurde den Gegebenheiten angepasst. Statt "gesund, jung und frei" wurde eine gesetztere Rekrutierungsbeschreibung ausgerufen: "Wenn du für Recht und Ordnung bist, dann komm und werde Polizist." (Was Reime betrifft, war über die Jahrzehnte jedenfalls kein Schwächeln zu bemerken.) Interessant ist, dass der Aspekt "Wien" in den Hintergrund trat, denn man warb inzwischen auch in den befreundeten Bundesländern Niederösterreich und Burgenland für die Ordnungsmacht der Bundeshauptstadt, die Mindestgröße der Bewerber wurde dementsprechend auf 168 cm gesenkt.

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Kleiner ist feiner

Mit Bentley hat das nur insofern zu tun, als wir den Verläufen von Image, Beharrlichkeit und Downsizing folgen, trotzdem gleichzeitig an Dynamik gewinnen.

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Thema Downsizing. Das bedeutet im automotiven Feld eher weniger "Mutti, ich hab den Cayenne geschrumpft" als den Umgang mit Triebwerken. Etwa: Die Mainstream-Zweiliterklasse bietet einen smart aufgeladenen 1,4-Liter an, der weniger wiegt, kürzer baut, gleiche Leistung bringt, 20 Prozent weniger Sprit braucht und 20 Prozent weniger Schadstoffe hinaushaut.In der Vier-, Fünf-, Sechsliterklasse und jenseits davon ist das nicht grundsätzlich anders, obwohl es nicht um Haushaltseinsparungen geht, denn die können immer nur lächerlich bleiben angesichts von Gesamtkosten und Nebengeräuschen. Es geht ums beispielhafte Verhalten auf höchstem Niveau, samt plakativer Ansage für die Branche und deren Interpreten.

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Die Baureihe, die heute das Um und Auf von Bentley ausmacht, ist der Continental GT, samt Ablegern. Darüber (aktuell: Mulsanne) spielt sich nur Scheich- oder Aristo-Folklore ab, bis hinauf zum Fahrzeug der Queen. Apropos Queen und britisches Wesen: Sowohl Rolls-Royce (BMW) wie auch Bentley (VW) stehen seit Ende der 1990er-Jahre unter deutschem Einfluss, aber in beiden Fällen lief und läuft die Lenkung so behutsam und geschmackssicher ab, dass sich die Briten nicht genieren müssen.

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Im Gegenteil: Deren Workforce wie Exportvolumen haben dramatisch gewonnen, seit der neue Wind weht. Die Engländer wissen, dass sie ohne den Technik- und Geldschub der Deutschen längst hätten zusperren müssen, und die Deutschen haben nachhaltig kapiert, welchen Schatz an Tradition und Handwerkskunst es hier auszubauen gilt.

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Worum geht's im Moment?

Der Zwölfzylinder des Continental und das Cabrios, also GTC, bleibt zwar unantastbare Basis-Motorisierung (uh-uh: Basis), aber jetzt gibt's eben eine Alternative: Achtzylinder, Vierliter, Biturbo, minus 40 Prozent Verbrauch bei adäquatem Vorankommen gegenüber W12, fröhlichere Anmutung, herzhaftere Geräusche. Downsizing am knisternden Objekt.

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Die Verzahnung zwischen den Kulturkreisen ist inzwischen so gut geölt, dass sich Bentley locker zum Audi-Ursprung des neuen V8 bekennt, die gemeinsame Entwicklung wird betont. Das Ganze spielt sich auf einem Niveau ab, das sich der normale Automobilist kaum ausmalen kann.

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Vielleicht doch: Wie sich ein 2,2-Tonnen-Auto in weniger als fünf Sekunden von null auf hundert bringen lässt, da legst du alle Ohren und Nasenflügel an. Tempo 300 macht sich gut im Dinner-Talk, ist aber längst akademisch geworden. Damit soll keineswegs die Herrlichkeit eines üppig motorisierten Grand Touring Cars kleingeredet werden - wer ein Gefühl dafür hat, der findet noch die passenden Straßen, in aller Würde der gehobenen Lebensart. Uns bleibt noch das Gleiten, das durch die innere und äußere Schönheit des Continental GT veredelt wird. Wir wollen uns jetzt nicht in Details verlieren, die Liste an Innenraumholz und -leder liest sich ein bissl wie die Freuden des Ancien Régime, aber wir würden uns bei der Bestellung sicher geschmackssicher anstellen, gell.

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Jüngste Technik wurde ausgereizt, um leuchtende Beispiele an relativer Sparsamkeit und Schadstoffminderung zu liefern. Der letzte Schrei an Direkteinspritzung ist ebenso hilfreich wie die sensible Achtgangautomatik und Zylinderabschaltung bei Teillast. Das bedeutet, dass manchmal nur vier Zylinder befüllt werden, der Fahrer merkt's nicht, wirklich nicht. Beim Drauflatschen feuern sowieso wieder alle achte.

Bleibt noch ein Vorteil des V8 gegenüber einem V- oder W12, und damit sind wir wieder bei der gesuchten Jugendlichkeit (äh, 40+) des neuen Bentley-Kunden: V8 ist die Mutter aller Grollgeräusche. Zwischen der Kernigkeit eines R6 und der Noblesse des V12 lassen sich alle Nuancen des Schlurfens und Röchelns abrufen, inklusive einer Giftigkeit, die aus dem Keller kommt.

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Dieser Sound ist bio

Die Big Blocks von Chevy und Ford haben mit elefantöser Bohrung dieses lässige Gurgeln geschaffen, das heute nicht mehr reproduzierbar ist. Bentley-Technik-Chef Rolf Frech hat uns geschworen, dass beim neuen V8 alle Geräusche echt sind, quasi bio, sie kommen nicht aus dem Studio, sondern ergeben sich aus feinster asymmetrischer Schalldämpfung, wie sie ganz raffiniert durchs Gesetz schlüpft: "Emotional stärker trotz leiser physikalischer Messwerte."

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Bentley zeigt uns sogar im Diagramm eine Geräusch-Bergwanderung nach Drehzahl: Unten herrscht "burble", im Mid-Range gibt's "growl", im High-End schlägt's in "howl" um. Wir würden sagen: Schlurfengurgeln, Knorzengrollen und Freudenheulen, ganz ohne die Obertöne vom Sparkenblitzenplotzenspucken, wie wir es früher auch ganz gern gemocht haben, ehrlich gesagt. Aber das war halt doch die kleinere Kubatur. (Herbert Völker/DER STANDARD/Automobil/24.2.2012)

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