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Acta und kein Ende. - Am Donnerstag, 23.2., diskutieren Piraten und Antipiraten in der Regulierungsbehörde in Wien ("Kampf gegen die Hydra?", ab 18.00), kommenden Dienstag steht die Gesetzesvorlage auf der Agenda des EU-Parlaments.

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...  in Erwiderung auf den Schriftsteller Walter Wippersberg und andere Besorgte.

Die Kampagnen der Urheberrechtslobbys überschlagen sich zurzeit, sodass man leicht den Überblick verliert. In der angriffigen Rhetorik, die auch vor persönlichen Untergriffen nicht zurückschreckt (wie zuletzt von Walter Wippersberg), finden sich nur wenig zukunftsorientierte Vorschläge. All diesen Kampagnen ist eines gemein: Sie verlangen mehr Rechte, eine schärfere Rechtsdurchsetzung, und sie stoßen sich dabei nur wenig an etwaigen Kollateralschäden wie der Aushöhlung des Datenschutzes, dem Verlust der Privatsphäre und der Netzneutralität. Wie kommt es nun dazu?

Wenn man sich die Forderungen ansieht wird klar, dass diese einer juristischen, aber keiner ökonomischen Logik folgen, denn es ist völlig unklar, wie dieses mehr an Rechten in Einkommen für Kulturschaffende verwandelt werden soll. Rechtsverstöße werden mit Einkommensverlusten gleichgesetzt, doch die wenigsten urheberrechtlichen Verstöße sind auch finanziell relevant. Urheberrechtliche Verstöße in sozialen Medien sind meist Mundpropaganda und stören eine kommerzielle Verwertung keinesfalls.

Das Problem liegt nicht darin, dass die bestehenden Rechte zu locker formuliert sind oder die Rechtsdurchsetzung schwächelt, sondern darin, dass sie schlicht nicht zu den technologischen Gegebenheiten passen. Es sind Rechte, die vor 300 Jahren für analoge Tauschformen konzipiert wurden, an die wiederum die analogen Geschäftsmodelle angepasst waren. Diese Geschäftsmodelle weiter zu verfolgen ist in etwa so, als würde man mit einem Auto, das an Land immer verlässlich war, nun über Wasser fahren wollen. Es wird auch dann nicht klappen, wenn ein Gesetz erlassen wird, das Autos zum Über-Wasser-Fahren zwingt.

Ablenkungsmanöver

Ebenso geht es der Content-Industrie derzeit. Zwar machen oftmals die Protagonisten der Urheberrechtskampagnen - wie auch Wippersberg - Kritikern den Vorwurf, dass sie keine Alternativen anbieten können, doch lenkt das meist nur von dem Umstand ab, dass sie selbst auch keine Modelle haben, wie man diese rechtlichen Verschärfungen nun zu Geld machen könnte. Dementsprechend passiv haben die VertreterInnen der Unterhaltungsindustrie die letzten 15 Jahre in einem rückwärtsgewandten Abwehrkampf verbracht (DRM, Klagen, Lobbying), anstatt neue Modelle zu entwickeln und somit ja letztlich wieder den Kulturschaffenden zu mehr Einkommen zu verhelfen. Dieses Geld fehlt nun den Kreativen, denn die Verluste durch Piraterie sind verschwindend gering gegenüber jenen, die durch die Verhinderungsstrategien der Unternehmen entstanden sind.

Bereits vor der Digitalisierung war das Urheberrecht lediglich das geringste Übel, doch stimmte in einer analogen Welt das Zusammenspiel von Technologie, Recht und Geschäftsmodellen noch überein. Immaterielles konnte nur mithilfe von Trägermedien verteilt werden (Ausnahme Rundfunk), und so folgten die Märkte den ökonomischen Gesetzlichkeiten der Tauscheinheiten (CD, DVD, Buch etc.) und nicht jenen der abstrakten immateriellen Güter (Musik, Film, Literatur etc.). Durch das Internet wurde auch der Tausch ohne Trägermedium möglich, und folglich greifen die alten Geschäftsmodelle, die für Trägermedien konzipiert waren, nicht mehr, und es bedarf gänzlich neuer.

Im Großen und Ganzen gibt es drei Lösungsvarianten, und keine verlangt nach einer Verschärfung des Urheberrechts oder einer Verschärfung der Durchsetzung, denn sie basieren nicht auf der Kontrolle einzelner Werke.

Die erste Möglichkeit ist die Anwendung von Modellen, die bereits aus Bereichen wie dem Rundfunk bekannt und erprobt sind, sogenannten zweiseitigen Märkten. Private Rundfunksender finanzieren sich über Werbeeinnahmen und bezahlen damit die RechteinhaberInnen. Auch soziale Netzwerke und viele erfolgreiche Web-Dienste funktionieren nach diesem Prinzip. Oftmals wird argumentiert, dass das Einkommen daraus nicht reichen würde, doch liegt es weniger an den Modellen als daran, dass die Verwerter prozentuell viel zu hoch beteiligt ist, da sie kostenseitig zwar an teurer Logistik, Lagerhaltung, Transporte, Regalplätze etc. einsparen, aber diese Kostenreduktionen weder an Kulturschaffende noch KonsumentInnen weitergeben.

Pauschalabgaben

Zweitens: die Einführung von gesetzlichen Lizenzen für den digitalen Vertrieb, die eine Verwertung nicht von der Zustimmung der Rechteinhaber abhängig macht, jedoch zur Kompensation verpflichtet, wie dies ebenfalls aus dem Radio bekannt ist. Demnach könnte jeder Webshop, Streaming-Dienst und jede Downloadplattform alle Inhalte anbieten, wären aber zur Kompensation der Kulturschaffenden verpflichtet. Dies galt im Übrigen auch im analogen Bereich, denn welche Autorin wurde jemals gefragt, ob eine bestimmte Buchhandlung ihre Werke an- und verkaufen darf? Die dritte Lösung ist die Einführung von Pauschalabgaben. Eine Maßnahme, die "Kunst hat Recht" auch mit der Festplattenabgabe vorschlägt. Diese konkrete Forderung ist der falscher Schritt in die richtige Richtung, denn die NutzerInnen entschwinden gerade in die Wolken oder genauer gesagt in die Cloud. Wenn man sich also entschließt, auf gesetzliche Pauschalabgaben zu setzen, dann ist die Abgabe auf den Zugang zum Internet die einzig nachhaltig sinnvolle Lösung. Derzeit gibt es bereits private Anbieter wie Spotify, die dasselbe auf freiwilliger Basis leisten. Doch auch hier würde eine gesetzliche Lizenz helfen um effektiver agieren zu können.  (Paul Stepan, DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2012)