Ulrich Kater: "Alles, was jetzt von den Plänen abweicht, wird auf den Euro durchschlagen."

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Wann Griechenland auf eigenen Beinen stehen kann, warum das Ende der Fahnenstange erreicht ist und was den Euro noch bedrohen kann, erklärt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank. Gefragt hat Bettina Pfluger.

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STANDARD: Das Paket zur erneuten Rettung von Griechenland steht. Der Schuldenschnitt beträgt 53,3 Prozent. Reicht das?

Kater: Es kauft Zeit und finanziert die Griechen auf zwei Jahre. Danach wird aber weiterer Finanzbedarf nötig sein. Ich glaube nicht, dass Griechenland wie geplant 2015 wieder an den Kapitalmarkt zurückkehrt. Denn Griechenland muss ja keinen Anpassungsprozess durchlaufen, der drei bis vier Jahre dauert - es steckt in einem Aufbauprogramm. Das wird zehn Jahre dauern.

STANDARD: Der Anleihentausch stellt auch einen Eingriff in die Bedingungen der Papiere dar. Wie kommt das bei den Investoren an?

Kater: Griechenland ist ein Sonderfall. Das ist die Geschichte und die Begründung, die die europäische Politik für das Problem aufgebaut hat. Aus wirtschaftlicher Sicht spricht einiges dafür. Weil die Strukturen, etwa in der Verwaltung, anders sind. Die Umlaufbahn, auf der Griechenland um den Euro kreist ist aber wesentlich weiter weg als alle anderen Länder. Ob die Märkte die Geschichte des Sonderfalls auf Dauer kaufen, hängt an Portugal. Brauchen die Portugiesen auch einen Schuldenschnitt, zieht diese Geschichte nicht mehr.

STANDARD: Auch die Geschichte in Griechenland hängt davon ab, was das Land zusammenbringt. Ein großer Punkt ist das Wirtschaftswachstum. Derzeit wird aber nur gespart, die Bevölkerung scheint am Limit. Wie soll sich das Richtung Wachstum ausgehen?

Kater: Mit klassischen Sparmaßnahmen geht das natürlich nicht. Griechenland hat einen zu großen Staatssektor, der gehört abgebaut. Die Privatwirtschaft ist zu klein, dorthin muss umgeschwenkt werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, um in der Privatwirtschaft aktiv zu werden. Dazu gehört auch die Rechtssicherheit. Dann kann Griechenland in den traditionellen Bereichen Transport, Nahrungsmitteln, Tourismus wachsen. Im Pharmabereich gab es zuletzt einige Ansiedelungen. Das ist etwa auch im Energiebereich denkbar.

STANDARD: Wie lange dauert es, bis Griechenland auf eigenen Beinen stehen wird?

Kater: Mindestens fünf Jahre. Wenn wir Glück haben, wird Griechenland in drei Jahren auf wesentlich weniger Geld angewiesen sein, weil der Haushalt ausgeglichen sein wird und nur noch der Zinsendienst zu leisten ist.

STANDARD: Bis klar war, dass Griechenland ein Problem ist, ist viel Zeit vergangen. Haircuts wurden ausgeschlossen, ebenso ein Ausschluss aus der Eurozone. Heute ist der Haircut Realität, der Austritt wird als Szenario zumindest diskutiert. Ist das eine semantische Aufbereitung für den nächsten Schritt?

Kater: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, die Semantik ist von europäischen Politikern so weit gedehnt worden, dass die Finanzmärkte das gerade noch hinnehmen. Wenn man vor fünf Jahren jemandem gesagt hätte, dass ein Land der Eurozone in fünf Jahren bankrott ist, wäre die Marktreaktion verheerend gewesen. Es ist im Grunde eine Leistung der Politik, dass sie es geschafft hat, dem weltweiten Kapitalmarkt die Insolvenz eines Eurolands zu verkaufen, ohne dass der Markt zusammengebrochen ist. Aber das ist auch das Ende der Fahnenstange. Mehr an solchen Themen wird der Markt nicht aufnehmen, ohne dass Europa nicht ganz vehement gemieden wird und daraus Finanzierungsprobleme entstehen.

STANDARD: Ist Griechenland pleite?

Kater: Ja. Aber die eigentlich verheerenden Folgen werden kontrolliert und damit abgemildert.

STANDARD: Der Euro hält sich trotz aller Warnungen tapfer. Woran könnte er noch scheitern?

Kater: Zwei Dinge: Wenn Portugal einen Schuldenschnitt braucht, würde das den Euro hart treffen. Und wenn Italien und Spanien die angestrebten Ziele nicht erreichen. Alles, was von den jetzt vorgestellten Plänen abweicht, wird auf den Euro durchschlagen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.2.2012)