Wenn Wikipedia aus Protest einen Tag lang ihre englische Seite lahmlegt und die Startseite von Google sich in Trauerdesign kleidet, sollte man sich Sorgen machen. Das Acta-Abkommen ist ebenso undurchsichtig wie unberechenbar. Es gilt, sich mit Ellenbogen durch das Dickicht an gegensätzlichen Informationen zu kämpfen. Die "Datenkrake", wie es von Kritikern genannt wird, könnte nicht bloß Youtube "eliminieren" oder die Produktpiraterie in die Schranken weisen, der schwammig formulierte Gesetzestext lässt die Grenzen zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und schlichter Zensur verschwimmen.

Das Ganze mutet an wie ein Streich beleidigter Lobbyisten, die sich über die kleinen "Schmarotzer" ärgern, die firmenunabhängig und ohne Entgelt in der Lage sind, ihr tägliches Bedürfnis nach Kommunikation und Information zu befriedigen. Wirklich bizarr wird das Ganze aber erst, wenn man sich vorstellt, wie schnell ein harmloser Schnappschuss zu einem kriminellen Delikt hochgespielt werden könnte - wenn etwa die beste Freundin auf dem Partyfoto mit einer Dose Cola in der Hand posiert. Das wäre aus Sicht von Acta Missbrauch einer Lizenz, genau wie ein virtuell geteiltes Musikvideo oder ein eingescanntes Lieblingsrezept. Acta verabschiedet somit das Sozialleben innerhalb Internetforen oder sozialer Netzwerke. Denn es bedeutet nicht nur das Aus für ein unbegrenztes Unterhaltungsangebot, sondern geht einher mit einer Überwachung des Internets, ähnlich wie in totalitären Staaten.

Anonymous malt daher Horrorvisionen an den Computerbildschirm. Es wird gemunkelt, Acta verpflichte die Internetanbieter, jedes ausgesendete Datenpaket auf Datenschutzrichtlinien verletzende Inhalte zu filtern. Sprich: ein Privatzoll für jeden Heimcomputer, für uns, die ewigen Schmuggler. Und das ist nicht alles: Bei öfterem Verstoß wird die Internetverbindung des "Verbrechers" gekappt. Er bekommt eine digitale Fußfessel. Bald wird die "Usergemeinde" wohl in zwei Lager geteilt sein, ein klares Schwarz-Weiß-Schema: Inter-Nett und Inter-Böse. (Julia Höftberger, DER STANDARD, Printausgabe, 22.2.2012)