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Kein Spaß: Referenz auf den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad beim Karnevalsumzug in Düsseldorf.

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Dieser Tage sei wohlüberlegt, wie weit ich meine Identität in Amerika preisgebe. Bis dato war ich als Wienerin mit iranischen Wurzeln in meinem Exoteneck sicher. Die Checkliste war schnell abgehakt: spricht Deutsch, ist aber nicht blond, sieht irgendwie französisch aus und hat einen undefinierbaren Akzent. Die Schlussfolgerung: zu kompliziert, um kategorisiert zu werden. Doch mittlerweile hat die Kriegsrhetorik gegen den Iran meine ignorantesten Kollegen wachgerüttelt. Plötzlich wird ihnen klar, dass "eine von denen" in ihren Reihen sitzt, tippt und atmet. "Habt ihr die Bombe?" und "Irgendwie seid ihr ja selbst schuld, wenn ihr uns dauernd provoziert", heißt es nun in der Mittagspause. Kein Tag vergeht, an dem nicht ein Journalist seitenweise das iranische Nuklearprogramm und seine Kapazitäten analysiert, das Radio Experten zu den Auswirkungen der Sanktionen befragt und CNN israelische Kriegsszenarien durchspielt.

Vor drei Jahren hat Präsident Barack Obama noch auf Persisch den Iranern zu ihrem neuen Jahr gratuliert. Das Gerede von der "Achse des Bösen" schien Vergangenheit zu sein, eine neue Ära war angebrochen. Nun drei Jahre später scheinen wir einer militärischen Intervention näher denn je zu sein. Was ist passiert, Mr. President? Die manipulierte Präsidentschaftswahl im Iran, ein gespaltenes Regime, das nur noch die Provokation gegen den Westen eint, ein Naher Osten, dem die Diktatoren ausgehen, und ein Israel, dem der Geduldsfaden reißt.

Der Anruf um drei Uhr morgens

Neun Monate geben sich die Israelis. In neun Monaten sei das iranische Atomprogramm so fortgeschritten, dass weder Diplomatie noch ein militärisches Eingreifen die Iraner werden aufhalten können. Dann verfüge das Land über genug Rohmaterial, Fachwissen und Bunkeranlagen, um gegen einen Luftangriff "immun" zu sein, wie Israels Verteidigungsminister Ehud Barak in der "New York Times" zitiert wird.

Ein Angriff scheint unausweichlich zu sein. Die Amerikaner werden auf Statisten reduziert, die um drei Uhr morgens vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wenn der israelische Premier Benjamin Netanjahu Präsident Obama von einem Angriff auf iranische Atomanlagen informieren wird.

Die Amerikaner spielen auf Zeit. In einigen Monaten können die Akteure ganz andere, der Ton weitaus schärfer und die Sanktionen nicht nur ein theoretischer Auftakt zum Kriegseinsatz sein, sondern ein tatsächlicher. Gleichzeitig gilt es, die iranische Präsidentschaftswahl 2013 im Auge zu behalten, wenn Mahmud Ahmadinejads zweite und damit letzte Amtszeit zu Ende geht. Können wir auf ein Revival des grünen Sommers 2009 hoffen? Die Frage ist, ob den Amerikanern so viel Zeit bleibt oder ob nicht andere Akteure längst das Ruder in die Hand genommen haben. (Solmaz Khorsand, derStandard.at, 22.2.2012)