Deutsche Wissenschafter haben einen Mechanismus entdeckt, mit dem sich die Waffen von Yersinia pseudotuberculosis abschalten lassen.

Foto: HZI / Manfred Rohde

Im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war die Pest in Europa für Millionen Tote verantwortlich. In Afrika, Südamerika, Indien und sogar in den Vereinigten Staaten tritt sie noch heute immer wieder auf. Die Erreger der Seuche sind Bakterien der Gattung Yersinia. Weniger aggressive Verwandte von Yersinia pestis lösen auch in Mitteleuropa jedes Jahr mehrere Tausend Fälle von Durchfallerkrankungen mit teilweise schweren Folgeerscheinungen aus. Deutsche Forscher haben nun einen Mechanismus entdeckt, mit dem sich der Erreger gleichsam entwaffnen lässt.

Die Wissenschafter vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und der Ruhr-Universität Bochum greifen dabei auf eine besondere Eigenschaft der Bakterien zurück: Yersinien besitzen ein molekulares Thermometer, das nur bei 37 Grad Celsius das krankmachende Programm der Bakterien startet.

Den HZI-Forschern gelang es nun, erstmals über genetische Veränderungen das Thermometer dauerhaft auf eine zu niedrige Temperatur einzustellen, bei der die Bakterien inaktiv bleiben. Das nächste Ziel ist es, einen Wirkstoff zu entwickeln, der genau diese Funktion erfüllt und als alternatives Medikament zu den gängigen, jedoch immer häufiger wirkungslosen Antibiotika eingesetzt werden kann.

Als Modellorganismus diente den HZI-Forschern Yersinia pseudotuberculosis, der nächste Verwandte des Pesterregers. In Mitteleuropa werden vor allem Kleinkinder mit diesem Bakterium infiziert - meist durch den Verzehr von rohem oder nicht ausreichend gegartem Schweinefleisch. "Nach der Aufnahme merkt der Erreger durch den Temperaturwechsel, dass er jetzt im Menschen ist", erklärt Katja Böhme vom HZI. "Im Dünndarm finden die Yersinien dann bestimmte Andockzellen, an die sie mit Rezeptoren binden und so eine Aufnahme ins Gewebe erzwingen," ergänzt Böhmes Kollegin Rebekka Steinmann.

Neue Möglichkeiten im Kampf gegen Infektionen

Bisher waren molekulare Thermometer nur bei der Anpassung an Hitzestress bekannt. Bei der Kontrolle wichtiger Gene von Krankheitserregern sind sie jedoch eine Neuentdeckung. "Hier eröffnet sich eine ganz neue Möglichkeit, um Infektionen zu bekämpfen", erklärt Petra Dersch, Leiterin der Abteilung Molekulare Infektionsbiologie am HZI.

Ein generelles Problem in der Bekämpfung von Infektionen ist die ständige Veränderung der Krankheitserreger. Daher suchen die Infektionsforscher heute nach universellen Schwachstellen, also nach Eigenschaften oder Mechanismen, die für die Erreger grundlegend und unverzichtbar sind. "Unser Ziel ist es, Krankheitserreger zu entschärfen, ohne wie die gängigen Antibiotika gleichzeitig auch nützliche Bakterien zu beseitigen. Molekulare Thermometer, die die Virulenz von krankmachenden Bakterien kontrollieren, sind dafür ein geeigneter Angriffspunkt", sagt Dersch. (red)