Eine Wunschvorstellung zahlloser schmerzgeplagter Patienten haben nun deutsche Wissenschafter in gewisser Weise Realität werden lassen. Den Chemikern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ist es gemeinsam mit Kollegen aus Berkeley und Bordeaux gelungen, eine Art Aus-Schalter für Schmerzen zu entwickeln. Die Forscher haben in Laborversuchen Schmerzneuronen mit einer chemischen Verbindung, die als lichtempfindlicher Schalter funktioniert, ruhig gestellt.

Die LMU-Forscher um Dirk Trauner nennen ihre Substanz aus dem molekularen Baukasten "QAQ". Zwei spezielle Ammonium-Verbindungen sind darin mit einer Art Brückenelement zusammengekoppelt, das eine Doppelbindung zweier Stickstoffatome enthält. Genau an dieser Stelle kann sich das ganze Molekül strecken oder abknicken, abhängig von der Wellenlänge des monochromen Lichtes, mit dem es bestrahlt wird - fertig ist das optische Schaltelement.

QAQ hat darüber hinaus aber noch andere Eigenschaften: Es ähnelt in der Wirkung dem Lidocain, einem gängigen Lokalanästhetikum in der Zahnmedizin, und noch stärker einem seiner Abkömmlinge. QAQ greift selektiv nur genau an den charakteristischen Neurorezeptoren der Nervenzellen an, die den Schmerz etwa von der Haut bis ins Rückenmark weiterleiten.

Neurorezeptoren sind in die äußere Membran der Nervenzellen eingebaut, sie besitzen feine Kanäle, durch die sie positiv geladene Ionen wie Natrium in das Innere einschleusen - wenn sie beispielsweise durch Hitze "stimuliert" werden. Damit verschiebt sich die Ladungsverteilung zwischen Innen und Außen. Das lässt den elektrischen Reiz, das Aktionspotenzial, entstehen, das Schmerzsignal wird weitergeleitet.

Schmerzblockade von der Rückseite aus

Interessanterweise gelangt auch das QAQ - mit einem experimentellen Trick - durch diese Rezeptorkanäle ins Innere des Neurons. Das muss es auch, um seine Wirkung entfalten zu können, denn es blockiert nur dort, sozusagen von der Rückseite, die Natrium- und Kaliumkanäle.

Allerdings kann nur das QAQ in seiner gestreckten Form die neuronale Aktivität und damit die Weitergabe also des Schmerzsignals blockieren. Legten die Forscher im Experiment mit Licht von 380 Nanometer Wellenlänge den Schalter um, war die Reizleitung innerhalb von Millisekunden wieder aktiviert. Denn die zusammengeklappte QAQ-Variante zeigt keine Wirkung auf den Rezeptor. Licht von 500 Nanometer lässt das Molekül wieder aufklappen. Dass die örtliche Betäubung des Schmerzempfindens mit QAQ im Prinzip funktioniert, konnten die Forscher schließlich auch am Tiermodell zeigen.

Neues Werkzeug in der Schmerzforschung

Trauners Team, das seit Längerem daran arbeitet, wichtige molekulare Maschinen wie Neurorezeptoren umzuprogrammieren und durch Licht steuerbar zu machen, sieht die neue Methode vor allem als ein Werkzeug in den Neuro- und speziell der Schmerzforschung. Bis zu einer möglichen therapeutischen Anwendung des Prinzips sei es aber noch ein weiter Weg, meint Timm Fehrentz, Doktorand bei Dirk Trauner und einer der beiden Erstautoren der Arbeit, die im Fachjournal "Nature Methods", veröffentlicht wurde. Um nur ein vergleichsweise naheliegendes Problem zu nennen: Das monochrome Licht, das den Schalter in den QAQ-Molekülen umlegt, kann menschliches Gewebe nicht weit genug durchdringen, um an sie am Wirkort zu erreichen. Die Forscher suchen deshalb schon nach Alternativen zu QAQ, die auf längerwelliges Rotlicht ansprechen. (red)