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1.500 Euro sind ihr zu viel, eine Anpassung der Strafen kann sie sich Unterrichtsministerin Schmied durchaus vorstellen.

Foto: apa/fohringer

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Umfrage zum Thema Schulpflichtverletzungen.

Grafik: apa

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) sehen Handlungsbedarf, um Schulpflichtverletzungen entgegenzuwirken. Dem Vorstoß von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP), die Strafen für Schulschwänzer auf 1.500 Euro zu erhöhen, will Faymann keinen Vorrang geben. Spindelegger verteidigte die Strafen, allerdings nicht als einzige Maßnahme.

Faymann erklärte, es dürfe über höhere Strafen geredet werden, wichtig sei aber, die Motive zu erforschen und sich mit dem Vollzug zu beschäftigen. Schon die jetzige Höchststrafe von 220 Euro werde nur zu zwei Prozent ausgeschöpft. SPÖ und ÖVP wollen mit drei Maßnahmen Schulschwänzen einschränken: verpflichtende Elterngespräche, Motivforschung und Vollzug der Strafen.

1.500 Euro "noch nicht Maximum"

Für Spindelegger sind Strafen Ausdruck dessen, dass Schulabbrechen ein verpöntes Verhalten sei. Der Vizekanzler kann sich offenbar auch noch höhere Strafen als die von Kurz genannten 1.500 Euro vorstellen: Dies sei "auch noch nicht das Maximum, an das man denken kann", sagte Spindelegger. Er wolle nicht, dass 10.000 Jugendliche pro Jahr keinen Schulabschluss haben. Es bestehe Einigkeit, dass es mehr Anstrengung brauche, um alle in Richtung Schulabschluss zu lenken.

Studie zu Schulpflicht-Verletzungen

Faymann betonte, man brauche ein Gesamtpaket von der Kinderbetreuung bis zum Jugendcoaching. Das Bildungsministerium werde eine Studie zu Schulpflichtverletzungen in Auftrag geben, um die Motive zu erforschen. Spindelegger kündigte Gespräche mit Kurz, Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und dem Wirtschafts- und dem Sozialminister an, "um sehr bald ein gemeinsames Paket vorlegen zu können".

Auch Schmied gesprächsbereit

Auch Unterrichtsministerin Schmied will über höhere Strafen für Schulschwänzer reden. Schmied sei "gesprächsbereit, ein sinnvolles Maßnahmenpaket zu schnüren, um die Zahl der Fälle von Schulpflichtverletzungen weiter zu reduzieren", sagt ihr Sprecher zu derStandard.at. Die Unterrichtsministerin spricht sich aber gegen "existenzgefährdende Strafen" aus. Die 1.500 Euro, die Integrationsstaatssekretär Kurz gefordert hat, sind für Schmied zu hoch. Sie kann sich aber vorstellen, die Höchststrafe von 220 Euro, die seit 1985 nicht angehoben wurde, "anzupassen".

Schmied befürchtet Teufelskreis

Zu hohe Strafen würden das Kind "noch tiefer in einen Teufelskreis aus Armut und Ausstieg aus der Gesellschaft und dem Bildungssystem hineintreiben". Das Unterrichtsministerium verweist auch darauf, dass die Landeshauptleute und nicht der Bund für die Einhaltung der Schulpflicht zuständig seien. "Warum bisher nur in zwei Prozent der Fälle die derzeitige Höchststrafe von 220 Euro zur Anwendung kam, wird mit den Landesbehörden noch zu diskutieren sein", heißt es.

Eltern sind nach dem Schulpflichtgesetz aus dem Jahr 1985 dazu verpflichtet, "für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch das Kind, Sorge zu tragen". Erscheint ein Kind lange nicht in der Schule und können weder Schule noch in der Folge das Jugendamt zu den Eltern durchdringen, erstattet Letzteres Anzeige bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde. Als Folge kann eine Verwaltungsstrafe von bis zu 220 Euro verhängt werden.

1.500 Verfahren wegen Schulpflicht-Verletzungen

Wie die APA berichtet, geht das Unterrichtsministerium derzeit von 1.500 Verfahren wegen Schulpflichtverletzungen aus. Falls die von Kurz hochgerechneten 1.800 Anzeigen von Schulpflichtverletzungen pro Jahr stimmten, würde das nur ein Promille der Schüler betreffen, sagt der Sprecher von Schmied. Eine parlamentarische Anfrage hat ergeben, dass im Jahr 2011 in Wien, Tirol, Vorarlberg, der Steiermark, Niederösterreich und dem Burgenland insgesamt 1.392 Verfahren liefen. In 729 Fällen kam es zu Strafbescheiden. Zahlen aus den übrigen Bundesländern sind nicht bekannt.

Fördermaßnahmen

Im Unterrichtsministerium betont man zudem, dass bei der Bekämpfung von Schulpflichtverletzungen das "Zusammenspiel der Institutionen, Behörden und Jugendwohlfahrt" wichtiger sei als Bestrafung. Zudem würde mit Eltern-Schüler-Lehrer-Gesprächen, Jugendcoaching, dem Ausbau der Schulpsychologie und der Ganztagsschulen sowie durch mehr Fördermaßnahmen für das Nachholen von Bildungsabschlüssen potenziellen Schulabbrechern geholfen.

Kurz verteidigt Forderung

Staatssekretär Kurz hat seine Forderung nach höheren Strafen in einer Aussendung am Dienstag bekräftigt. "Wenn Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken, dann muss das verpönt sein. Härtere Strafen sind ein Ausdruck des Unrechtsbewusstseins in unserer Gesellschaft und sollten auch zur Anwendung kommen", sagt Kurz. Zusätzlich sei aber ein "Bündel an Maßnahmen" nötig. Als Beispiele nannte der Staatssekretär verpflichtende Elterngespräche, Motivforschung, um eine bessere Prävention zu ermöglichen, und eine statistische Erhebung von Schulpflichtverletzungen.

Kurz verweist auf eine Umfrage des Gallup-Instituts vom November 2011 bei der 69 Prozent der Befragten angaben, dass es für die Förderung der Integration "eher zielführend" ist, wenn Schulpflichtverletzungen "härter bestraft" werden. Für die Umfrage wurden 500 Personen befragt, die Schwankungsbreite liegt bei 4,4 Prozent.

Die Diskussion über höhere Strafen für Schulschwänzer hatte Kurz aufgebracht, nachdem eine Studie der Universität Linz und der Arbeiterkammer Oberösterreich ergeben hatte, dass 75.000 Jugendliche ohne Job und Ausbildung sind. Studienautor Johann Bacher hat im Gespräch mit derStandard.at bereits betont, dass höhere Strafen für Schulschwänzer nicht dazu führen würden, dass diese Jugendlichen motivierter sind. Er fordert verschränkte Ganztagsschulen (also auch Unterricht am Nachmittag), um Defizite von sozial benachteiligten Jugendlichen auszugleichen, sowie eigene Programme für jene Jugendlichen, die bereits vorzeitig aus dem Schulsystem ausgeschieden sind. (lis/APA, derStandard.at, 21.2.2012)