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Archivbild des Atompilzes über der japanischen Stadt Nagasaki nach dem Abwurf der US-Atombombe (August 1945)

Foto: Reuters/The National Archives
Wien - Kritische Massen braucht man nicht nur für Atombomben, sondern offenbar auch für deren Entwicklung. Als die Amerikaner vor dem und im Zweiten Weltkrieg die neue Waffe entwickelten, arbeiteten praktisch alle bedeutenden Kernspaltungs-Physiker des Landes in Los Alamos, erklärte der aus Österreich stammende Physiker Harry Lustig (City College of New York) bei einem Vortrag diese Woche in Wien. In Deutschland war man dagegen noch Meilen von der Entwicklung der Bombe entfernt.

Der renommierte Physiker Lustig beschäftigt sich seit 1996 intensiv mit der Geschichte seiner Wissenschaft und speziell mit der Frage, wieso Deutschland während der nationalsozialistischen Herrschaft trotz sonstiger Hochrüstung keine Atombombe entwickelte. Dass die Physiker in Deutschland, die sich mit der Kernspaltung beschäftigten, auf rund 23 Institute verteilt waren, ist für Lustig einer der Hauptgründe. Die USA hatten die Möglichkeiten der Kernspaltung als Waffe offenbar früher erkannt und alle in Frage kommenden Physiker darauf angesetzt.

Heisenberg

Lustig zweifelt, dass selbst der renommierte deutsche Physiker Werner Heisenberg (einer der Mitbegründer der Quantenmechanik) die für eine Bombe nötige so genannte kritische Masse an angereichertem Uran (U235) berechnen konnte. Heisenbergs Haltung zum Bau einer deutschen Atombombe ist etwa unter Historikern bis heute umstritten. Lustig durchforstete für seine Forschungen vor allem die physikalische Fachliteratur und fand keine Hinweise darauf, dass sich Heisenberg ernsthaft mit der Bombe beschäftigte. Auch seine Versuche, einen deutschen Reaktor zu bauen, waren nicht von Erfolg gekrönt.

Laut den Ergebnissen von Lustig hätte auch die deutsche Industrie nicht die Möglichkeit gehabt, genügend Uran für eine funktionierende Bombe aufzubereiten. Um die Kettenreaktion in Gang zu bringen, reicht das natürlich vorkommende Uran - es enthält vor allem das Isotop 238 - nicht aus. Das Isotop 235 muss daher künstlich angereichert werden. (APA)