Der EU-Konvent hat den Entwurf für die EU-Verfassung verabschiedet.

montage: derStandard.at

Im EU-Konvent ist Freitagvormittag der Durchbruch für eine europäische Verfassung gelungen. Die 105 Frauen und Männer erzielten Konsens über einen Text, um den 16 Monate gerungen worden war. Einen Vorbehalt meldete die spanische Regierungsvertreterin an.

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Das Tauziehen um die europäische Verfassung dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Freitagvormittag gelang schließlich der Durchbruch. Die 105 Frauen und Männer des EU-Konvents erzielten Konsens über einen Textentwurf, den das Präsidium wenige Stunden vorher präsentiert hatte. Konventspräsident Valéry Giscard d'Estaing wurde beauftragt, den Verfassungsentwurf den Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen in der kommenden Woche in Thessaloniki zu übermitteln.

Durch die EU-Verfassung bekommen die bestehenden Verträge eine einheitliche Struktur. Das "Dreisäulen-Modell", durch das die Politikmechanismen der EU derzeit hoch kompliziert geregelt sind, wird abgeschafft. Die EU-Grundrechtscharta wird verpflichtender Rechtsbestand und das Europäische Parlament enorm aufgewertet. Es kann künftig bei fast allen Gesetzen mitentscheiden.

Institutionell wird ein gewählter Präsident des Europäischen Rates sowie ein EU-Außenminister mit Sitz in der EU-Kommission geschaffen. Die Kommission wird ab 2009 auf 15 stimmberechtigte Mitglieder verkleinert, die anderen Mitgliedsländer sollen ohne Stimmrecht in der EU-Kommission vertreten bleiben. Für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen im EU-Rat sollen ab 2009 die Mehrheit der Mitgliedsländer und 60 Prozent der EU-Bevölkerung genügen.

Dagegen hat Spanien einen Vorbehalt angemeldet. Die Regierung in Madrid beharrt auf der Beibehaltung der im Vertrag von Nizza erzielten Stimmengewichtung. Beim Gipfel in der südfranzösischen Stadt im Dezember 2000 kam es zum Stimmendeal, bei dem Spanien besonders gut ausgestiegen ist.

Trotz der im Konvent erzielten Übereinstimmung über die neue Verfassung gibt es bei den Regierungsvertretern der kleinen und mittleren Staaten weiter großes Unbehagen. Sie haben sich zwar bei der Beibehaltung der rotierenden Präsidentschaft durchgesetzt, mussten aber beim EU-Ratspräsidenten und bei der Kommission nachgeben.

Das Prinzip "Ein Land ein Kommissar", das nicht zuletzt Hannes Farnleitner, der Vertreter des österreichischen Bundeskanzlers, immer wieder verlangt hat, wird zwar formal eingehalten. De facto müssen sich aber die Nationalstaaten damit abfinden, dass sie nicht immer einen "vollwertigen" Kommissar haben.

Der Streit hat die Fertigstellung des dritten Teils der Verfassung verzögert, der sich mit den Kompetenzen beschäftigt. Er wird erst Mitte Juli fertig gestellt. Dann sollen alle Konventsmitglieder die Gelegenheit bekommen, den Vertrag zu unterschreiben. Endgültig entschieden wird über die EU-Verfassung in der Regierungskonferenz, die im Oktober beginnt. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.6.2003)