Es gibt zu Unfallanalysen eine These: Je größer die Distanz zwischen Beobachter und Unglück ist, desto absoluter und pauschaler fällt das Urteil darüber aus.

Der Lawinenunfall von Prinz Johan Friso bestätigt das. Während sich Experten hüten, mit dem Zeigefinger zu fuchteln oder gar pauschale Schlüsse zu ziehen, schlug die Stunde der Flachlandanalytiker, die Schnee und Berg nur vom Pistenrutschen kennen. Umgehend erklärten sie für unverantwortlich, wer jetzt ins Gelände fährt. Pauschal. Sie wissen auch Abhilfe: das Betreten des "freien Skiraums" verbieten. Problem benannt - Problem gelöst.
Dass das mannshohe Gitterzäune am Pistenrand (und das Ende der "Wegfreiheit", des Rechts aufs Wandern) bedeuten würde, sei nur am Rande erwähnt.

Spannender ist der zweite Blick auf diese Sehnsucht nach Schutz durch Fremdbestimmung: Die Magie der Berge liegt (auch) darin, dass stets situationsbezogen entschieden werden muss. Weil jede Handlung unmittelbare Folgen hat: gute wie schlechte - mitunter unvorhersehbare.

Wo der Alltag aber auf Absicherung und Fangnetzen basiert, kann so etwas Angst machen. Davor, Verantwortung nicht delegieren zu können. Davor, für das eigene Tun einstehen zu müssen. Und sei es bis zur letzten Konsequenz.

Sicher: Darauf zu setzen, dass da immer einer ist, der sagt "Wir holen dich da raus", hat etwas: Es ist bequem - hat aber auch einen Haken: Es stimmt nämlich nicht. (DER STANDARD; Printausgabe, 20.2.2012)