Graphen gilt wegen seiner zahlreichen einzigartigen Eigenschaften als das Zukunftsmaterial in der Elektronik. Zwei Forscher vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben nun der langen Liste an Besonderheiten eine weitere hinzugefügt: Die Wissenschafter haben herausgefunden, dass sich Falten im Graphen von selbst wieder vollständig zurückbilden. Auch diese Fähigkeit lässt sich für künftige superschnelle Computer oder knautschbare Displays einsetzen.

Graphen besteht aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen, die gitterförmig miteinander verbunden sind. Wenn man es mit bloßem Auge sehen könnte, sähe es aus wie der typische Drahtzaun für Kaninchenställe. Seine Fähigkeit, elektrischen Strom so gut zu leiten wie kein anderes Material, macht es sehr begehrt für besonders anspruchsvolle Anwendungen wie bis zu hundertmal schnellere Computer oder zukünftige knautschbare Displays für den faltbaren Rechner in der Hemdtasche.

Besonders hochwertiges Graphen für solche Anwendungen erzeugt man zum Beispiel, indem man das Gas Ethylen bei einer Temperatur von 1200 Grad Celsius an einer Metalloberfläche, hier einem Iridium-Kristall, zersetzt. Genau eine Schicht Kohlenstoffatome setzt sich auf dem Kristall ab - das Graphen. Beim Abkühlen zieht sich der Kristall jedoch schneller wieder zusammen als das Graphen, sodass das wertvolle Material Falten wirft, die die Leitfähigkeit entscheidend verringern. Das kann man sich vorstellen wie bei einem aufgeblasenen Luftballon, auf den man ein angefeuchtetes Stück Feinstrumpfhose glatt aufklebt: Lässt man die Luft aus dem Ballon entweichen, zieht dieser sich zusammen und die darauf haftende Strumpfhose wird faltig.

Trickreicher Einsatz des Moiré-Effekts

Wie dieser Prozess für Graphen im Detail abläuft, haben nun erstmals die CENIDE-Forscher Michael Horn-von Hoegen und Frank Meyer zu Heringdorf in Zusammenarbeit mit Physikern der Universitäten Köln und Twente beobachten können. Die Dimensionen, in denen sie beobachtet und gemessen haben, sind so unvorstellbar klein, dass klassische Messmethoden hier versagen. Daher griffen die Forscher mit ihrem Doktoranden Hichem Hattab zu einem Trick: Sie verknüpften die Elektronenbeugung mit dem Moiré-Effekt. Diese Überlagerung zweier Muster hat jeder schon einmal beobachtet: Die Wellen, die scheinbar über das karierte Hemd des Fernsehmoderators laufen, oder das Muster, das entsteht, wenn man zwei Gitter-Geländer leicht versetzt hintereinander sieht.

Mithilfe dieses Effekts, der wie mit einer Lupe Rückschlüsse auf die Abstände der Atome im Graphen zulässt, konnten die Nanowissenschaftler Folgendes herausfinden: Während des Abkühlens werden die "Maschen" des Graphengitters gequetscht, bis zur Entlastung Falten entstehen. Umgekehrt werden die Maschen beim Aufheizen erst ordentlich auseinandergezogen, bevor die Falte wieder verschwindet. Aber anschließend ist der Abstand zwischen den Atomen im Gitter noch der gleiche wie zuvor, nirgendwo entstehen Risse oder Knicke im Material. Das konnte bisher noch niemand belegen: "Die Idee, die Elektronenbeugung mit dem Moiré-Effekt zu koppeln, mag logisch erscheinen", erklärt Horn-von Hoegen, "aber für die Umsetzung muss man sein Handwerkszeug wirklich gut beherrschen."

Höchste Messgenauigkeit

Das leuchtet ein, beträgt die Messgenauigkeit seiner Ergebnisse doch 0,1 Picometer. Stellt man sich die Atome im Graphengitter als Orangen vor, kann man die Messgenauigkeit so beschreiben: Schiebt man ein menschliches Haar zwischen die Orangen, so kann man die erfolgende Positionsveränderung der Früchte im wahren Wortsinn haargenau berechnen.

Der nächste wissenschaftliche Schritt besteht nun darin, eine Methode zu finden, um das Graphen leicht vom Iridium zu lösen. Dass die Falten sich dann ganz allein zurückbilden und keine Schäden im Material hinterlassen, ist nun bewiesen. (red)