Eine parasitäre Wespe legt Eier in die Larven von Fruchtfliegen, die dann den Wespenlarven als lebendes Futter dienen. Um die Eier loszuwerden, "vergiften" sich die Larven mit Alkohol.

Foto: Current Biology

Atlanta/Wien - Fruchtfliegen gehören zu den bestuntersuchten Organismen dieses Planeten. Das liegt daran, dass die kleinen Fliegen, die vor allem auf überreifes Obst fliegen, seit hundert Jahren von der Genetik als Tiermodell in allen Details untersucht werden.

Dennoch machen Forscher an den Tieren immer noch erstaunliche Entdeckungen. Die jüngste gelang Evolutionsgenetikern der Emory University in Atlanta: Das Team um Todd Schlenke fand heraus, dass sich die Larven der Tiere mit Alkoholgenuss davor schützen, von Parasiten inwendig aufgefressen zu werden. Die Biologen sehen das als Beweis dafür, dass Tiere toxische Substanzen als Medizin verwenden.

Fruchtfliegen haben quasi von Natur aus ein besonderes Naheverhältnis zu Vergorenem: "Sie leben praktisch im Schnaps", sagt Todd Schlenke. "Ihre natürliche Umgebung enthält fünf bis 15 Prozent Alkohol. Das wäre in etwa so, wenn alles, was wir essen oder trinken, fünf Prozent Alkohol enthielte." Drosophila melanogaster, wie die Tiere wissenschaftlich heißen, können Alkohol entsprechend gut abbauen.


(Quelle: Current Biology)

Diese Fähigkeiten nutzen sie auch im erbitterten Abwehrkampf gegen ihrer Todfeindin, eine winzige parasitäre Wespenart, die ihre Eier in die Larven der Fruchtfliegen ablegt. Dazu injiziert sie auch noch ein Gift, das die Abwehrkräfte minimiert. Bleibt bei der Fruchtfliegenlarve die Immunabwehr aus, dann schlüpfen in ihrem Körper die Wespenlarven, die ihre Wirtin von innen auffressen. Deshalb gibt auch es einen beständigen koevolutionären Kampf zwischen dem Gift und der Immunabwehr.

Doch die Fruchtfliegen haben noch einen anderen Trick, um die Parasiten loszuwerden, wie die Forscher experimentell bestätigen konnten. Sie ließen infizierte und nichtinfizierte Drosophila-Larven zwischen zwei Arten von Hefe als Futter wählen: Eine war alkoholfrei, die andere mit fünf Prozent Alkohol versetzt.

Nach 24 Stunden waren 80 Prozent der infizierten Larven in der Alk-Hefte gelandet, während nur 30 Prozent von den nichtinfizierten sich am alkoholischen Futter labten. Diese eindeutigen Präferenzen wurden durch die Überlebensrate bestätigt: Alle Larven, die normale Hefe konsumierten, starben, während 60 Prozent der Alkoholkonsumenten überlebten.

Das freilich war der Durchgang mit den Eiern einer parasitären Wespe, die alle möglichen Insekten befällt. Als die Forscher den Test mit jener Wespenart wiederholten, die ganz auf Fruchtfliegen spezialisiert ist, überlebten nur zehn Prozent der Fruchtfliegen. Die Parasiten haben also koevolutiv Alkoholtoleranz entwickelt. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.02.2012)