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Im Vorort Harasta in Damaskus: ein Checkpoint der syrisches Armee. Noch sind meist Außenbezirke der Hauptstadt betroffen, aber die Vorfälle nähern sich dem Zentrum.

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Damaskus/Kairo - "Bis jetzt waren sie einigermaßen anständig", sagt Hala. Die Aktivistin nimmt an Demonstrationen der Opposition teil und organisiert zusammen mit andern Frauen humanitäre Hilfe für Opfer des Aufstandes. In den vergangenen Monaten ist sie mehrmals vom Geheimdienst vorgeladen worden. "Es ist weniger geworden. Jetzt sind sie vor allem mit der Jagd nach Mitgliedern der Freien Syrischen Armee beschäftigt. Das heißt aber nicht, dass der Spielraum für die zivile Opposition größer geworden ist", betont Hala, die sich eben am Telefon von einer Freundin in Homs die verzweifelte Lage hat schildern lassen. Auch sie hat immer Angst, vor allem seit die Shabiha - die alawitischen Schlägertrupps des Regimes - ihren Namen auf ihre Webseite gesetzt haben.

Friedliche Proteste gibt es kaum mehr, außer den kleinen, spontan aufflammenden "fliegenden Demonstrationen" von ein paar Dutzend Aktivisten. Sobald mehr Menschen gegen das Regime auf die Straße gehen, reagiert die Staatsmacht mit Gewalt. Die meisten Toten gibt es nicht mehr an Freitagen, dem traditionellen Tag der zivilen Proteste, und die Mehrheit der Opfer stirbt als Folge von Kampfhandlungen zwischen der Armee und der Freien Syrischen Armee (FSA), die vorwiegend aus Deserteuren besteht. Aus der sozialen Explosion in den vernachlässigten Randgebieten ist eine militarisierte Rebellion geworden. "Der Aufstand ist in seine zweite Phase getreten. Die reguläre Armee wurde in die Defensive gedrängt, die FSA verteidigt sich nicht mehr nur, sondern greift mit Guerillataktik an", stellt Ahmad Fayez Fawaz, langjähriger politischer Gefangener und Mitglied der internen Opposition fest.

Keine Massenmobilisierung

Die Mehrheit der Syrer und Syrerinnen wünscht sich Freiheit und Demokratie, das heißt aber nicht, dass sie auf die Straße gehen oder sich der Opposition anschließen würden. "Die Massen vor allem in Damaskus und Aleppo konnten nicht mobilisiert werden", analysiert Fawaz.

"In manchen Gegenden trägt der Aufstand auch konfessionelle Züge, und man wird gezwungen, sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen", erklärt ein Geschäftsmann und erzählt ein Beispiel von einem Tierarzt in seinem Bekanntenkreis, der in einer Widerstandshochburg umgebracht wurde, weil er sich nicht offen zur Opposition bekannt hatte. Auch die regimetreue Gegenseite kann mit solchen Fällen aufwarten.

Die politische Opposition in Syrien hat einen schweren Stand und mit der zunehmenden Stärke der FSA wird ihre Lage noch komplizierter. Die Lokalen Koordinationskomitees, die die Proteste organisieren, haben sich hinter den Syrischen Nationalrat (SNC) gestellt, der in Istanbul sitzt. "Wir haben mit dem Regime geredet, aber sie wollten uns nicht hören und haben ihre Gewaltstrategie fortgesetzt. Neue Gespräche gibt es nur unter der Bedingungen, dass das Militär abzieht, die Gewalt gestoppt und alle Häftlinge freigelassen werden", sagt Aref Dalila, früherer politischer Gefangener und führendes Mitglied des Nationalen Koordinationsrates. (DER STANDARD Printausgabe, 17.2.2012)