Im Verfassungsentwurf, über den die Syrer und Syrerinnen – zumindest jene, die auf die Straße gehen können, ohne erschossen zu werden – am 26. Februar abstimmen sollen, ist die Vormachtstellung der Baath-Partei, die jeden politischen Pluralismus schon auf dem Papier erstickt hat, gestrichen. Es ist erstaunlich, dass Bashar al-Assad so lange gebraucht hat, bis er bereit war, darauf zu verzichten. Er weiß doch, dass – und das ist gleichzeitig die Crux an der ganzen Sache – der über Jahrzehnte aufgebaute Machtapparat, den seine Familie verwaltet und anführt, nicht gleichzeitig mit dem Terminus „Baath“ verschwindet. Der Name ist weg, alles andere ist noch da.

Das gilt auch für die Einflussmöglichkeiten, wer bei zukünftigen Präsidentschaftswahlen kandidiert. Abgesehen davon, dass noch unklar ist, wann solche Wahlen stattfinden sollen. Das ist die alles entscheidende Frage.

Aber immerhin, man kann konstatieren, dass der Verfassungsentwurf trotz seiner zahlreichen Defekte den ersten kleinen Schritt Syriens aus dem System Assad darstellt. Er könnte jenen Syrern gefallen, bei denen die Angst vor einem Bürgerkrieg und einem radikalen Umsturz noch immer größer ist als die Abneigung gegen das Regime. Aber ein Großteil der Opposition wird auch in einer Anfangsphase den Weg in die politische Freiheit nicht mehr gemeinsam mit Bashar al-Assad gehen wollen. Für sie ist die neue Verfassung zu wenig und zu spät. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2012)