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Angelika Werthmann sieht sich von PR-Produzenten erpresst und bedroht ...

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... Präsident Martin Schulz schaltet sich ein

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In den vergangenen Tagen bekamen einige österreichische EU-Abgeordnete über Fraktionen hinweg brisante Post: "Ihre Abgeordneten-Kollegin, Frau Angelika Werthmann", heißt es darin, "hat seit November die Produktion mehrerer Filme bei mir in Auftrag gegeben und erhalten, aber keinen einzigen Film bis heute bezahlt."

Der Auftragswert liege bei 27.000 Euro, schreibt der Absender unter anderem an Othmar Karas (VP) wie auch an die Grüne Ulrika Lunacek, deshalb "bitte ich Sie um Rat und um Ihre Hilfe". Denn Werthmann (die 2009 für die Liste Hans-Peter Martin kandidierte und mit diesem im Sommer 2010 wegen Vorwürfen der missbräuchlichen Verwendung von Wahlkampfgeldern gebrochen hat) antworte nicht mehr "auf meine berechtigten Forderungen".

Eine einvernehmliche Lösung wäre "sicherlich sinnvoller", heißt es weiter. "Aber was kann ich noch tun?", schließt der Autor, der seine Adressaten nebenbei wissen lässt, es "beklagen sich "mehrere Personen, von Frau Werthmann geschädigt worden zu sein" - angeblich. Inwieweit ihm die Ösi-Abgeordneten helfen könnten, bleibt unklar.

Aber die Absicht ist klar: Der Absender, der im EU-Parlament als Journalist und als Betreiber einer in Deutschland ansässigen Produktionsfirma "EU-Media" ein- und ausgeht, will den Druck auf die Salzburgerin erhöhen.

Er sieht sich absolut im Recht, wie er dem Standard sagte: "Sie hat die Filme bestellt und will nicht zahlen."

Im Österreicherlager sorgt der Fall inzwischen für große Aufregung. Denn knapp ein Jahr nach den von britischen Aufdeckerjournalisten ausgelösten mutmaßlichen Korruptionsaffären um Ernst Strasser und andere droht dem EU-Parlament der nächste Skandal, der das noch in den Schatten stellen könnte.

Es geht nicht um den Versuch, sich in Straßburg Gesetze zu kaufen. Es geht auch nicht einfach um einen Streit über einige tausend Euro für PR-Zwecke von Abgeordneten, die (zumindest zum Teil) aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Der Fall scheint auf geradezu atemberaubende Weise aufzuzeigen, wie im EU-Parlament nach wie vor kommerzielle Interessen mit politischer Arbeit vermischt werden; wie sich Lobbyisten oder Ex-Abgeordnete, die sich plötzlich als "Berater" oder "Producer" betätigen, mit privaten Videoproduzenten zusammentun, um mitten in den Räumlichkeiten des Parlaments ihre Geschäfte zu betreiben.

Und seit vergangenem Dienstag geht es um noch mehr: den konkreten Verdacht der Erpressung und Nötigung einer Abgeordneten. Diesen Vorwurf prüft offiziell Generalsekretär Klaus Welle, der höchste Beamte des Parlaments. Werthmann hat das angezeigt.

Das Brisante daran: Dem Akt liegt ein Schreiben bei, das eine Anfrage des TV-Produzenten F. bei einem Bekannten beinhaltet, wie er seine Forderungen in Österreich am Besten eintreiben könnte: "Ich benötige ein Inkasso-Unternehmen, dass (sic!) beim Eintreiben meiner berechtigten Forderungen nicht zimperlich ist und resolut vorgeht".

Ein Durchschlag erging an Werthmann, die sich nun auch physisch bedroht sieht: "Ich werde genötigt und erpresst. Das habe ich dem Generalsekretär ganz klar gesagt", erklärte sie im Gespräch mit dem Standard. Am Dienstag wird sich mit Präsident Martin Schulz der Präsident des Parlaments befassen. Die Behauptung, dass sie die sechs Filme um rund 27.000 Euro bestellt habe, weist sie kategorisch zurück: "Es gibt auch keinen Vertrag darüber, nichts." F. habe die Filme in Kooperation mit einem Berater "von sich aus" produziert und wolle ihr dies jetzt offenbar unterjubeln.

Grüner Mittelsmann

Dieser Mittelsmann ist der ehemalige grüne EU-Abgeordnete Frank Schwalba-Hoth, der heute auch für die grüne Fraktion den einen oder anderen Auftrag erledigt.

Hintergrund sei, so schildert es Werthmann, dass sie im November 2011 mit der grünen Fraktionschefin Rebecca Harms bei einer Veranstaltung zum Thema Energie in Brüssel aufgetreten sei. Dabei sei ihr von Schwalba-Hoth der nämliche Journalist vorgestellt worden. Die beiden hätten vorgeschlagen, "einen Film von dieser einen Veranstaltung zu machen". 1000 Euro hätte das kosten sollen.

Im Jänner habe man dann eine ganze Box mit den inkriminierten DVDs gebracht, ohne Auftrag. Und eine Rechnung gestellt, "bei der ich fast in Ohnmacht gefallen wäre", so Werthmann. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2012)