Als der unverwüstliche Henry „Dr. K.“ Kissinger ins Mikrofon brummte, aus dem Verhältnis zwischen den USA und China werde sich kein neuer Kalter Krieg entwickeln, stimmte das Publikum unlängst bei der Münchner Sicherheitskonferenz einhellig zu. Zu sehr sind die beiden Mächte bereits voneinander abhängig, zu sehr ist die Welt(wirtschaft) inzwischen globalisiert. Weder Peking noch Washington haben Interesse, Differenzen eskalieren zu lassen – dagegen sprechen schon jene 2000 Milliarden Dollar, die Chinas Nationalbank in US-Anleihen investiert hat.

Die Rivalität zwischen beiden Ländern bleibt dennoch virulent. Aber vor dem oben genannten Hintergrund begegnen sich die beiden Großmächte, deren Verhältnis das 21. Jahrhundert definieren wird, bei Xi Jinpings Besuch in den USA mit zähnebleckender Herzlichkeit. Beide trauen einander nicht über den Weg, und beide müssen doch einen Modus Vivendi miteinander finden.

China, so schätzt der australische Außenminister Kevin Rudd, wird die USA 2020 als weltgrößte Wirtschaftsmacht abgelöst haben und 2025 als führende Militärmaschinerie. Dann wird die Welt erstmals seit Jahrzehnten keine demokratische und erstmals seit Jahrhunderten keine westliche Führungsmacht mehr haben. Was das bedeuten wird, ist allen Beteiligten – auch China und den USA – noch unklar. Weil das so ist, lächelt man heute in Washington höflich, auch wenn dazwischen gelegentlich harsche Worte fallen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2012)