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Der Außenhandel zehrt an der japanischen Wirtschaft. Exporte schwächeln, und die Energieimporte steigen.

Foto: Reuters/Toru Hanai

Die japanische Wirtschaft ist 2011 deutlich stärker geschrumpft, als Ökonomen befürchtet hatten. Die Atomkatastrophe, die Nachfrageschwäche Europas und der hohe Yen belasten die Volkswirtschaft.

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Tokio - Japans Wirtschaft hat die vielen Nackenschläge des Jahres 2011 - die dreifache Katastrophe, die Flut in Thailand, die Schuldenkrise in Europa und den Höhenflug des Yen - deutlich schlechter verkraftet als erwartet. Wie die Regierung am Montag mitteilte, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2011 um 0,9 Prozent gefallen. Noch vor wenigen Monaten hatten viele Ökonomen gehofft, dass das Land einen Rückfall in die Rezession vermeiden würde.

Damit schrumpft Japans Wirtschaft zum dritten Mal seit Ausbruch der Weltfinanzkrise im Jahr 2008. Nur 2010 legte die Wirtschaft einen Zwischenspurt hin und wuchs um vier Prozent. Dabei hatte es bis zum Herbst noch so ausgesehen, als ob Japan seine dreifache Katastrophe vom 11. März 2011, bei der ein Riesentsunami nach einem Megaerdbeben 450 Kilometer Küste und das AKW Fukushima 1 verwüstetet hatte, wegstecken könnte.

In bewundernswerter Manier hatten die Unternehmen ihre zerstörten Fabriken im Nordosten des Landes wieder aufgebaut und die gerissenen Lieferketten geflickt. Das BIP stieg daraufhin zwischen Juli und September um satte 1,7 Prozent über das des vorhergehenden Quartals. Doch das Weihnachtsquartal machte alle Hoffnungen zunichte. Das BIP fiel doppelt so stark wie von den Märkten erwartet um 0,6 Prozent.

Der wichtigste Grund: Japans Handelsbilanz ist im Jahr 2011 wegen des finanziellen Fall-outs der Atomkatastrophe und des Abflauens der Weltkonjunktur erstmals seit 32 Jahren ins Minus gerutscht. Das Importvolumen schoss in die Höhe, weil das Land mehr Gas, Öl und Kohle einführen muss. Japan musste mit reaktivierten konventionellen Kraftwerken die riesige Atomstromlücke füllen, die die Katastrophe in Fukushima verursachte.

Gleichzeitig sanken im vorigen Quartal die Exporte. Denn nicht nur drosselten die Europäer ihre Einkäufe in Japan, sondern auch in Asien, Japans wichtigstem Exportmarkt. Zusätzlich zerriss die Flut in Thailand die Lieferkette der Japan AG zum zweiten Mal in einem Jahr. Thailand ist einer der wichtigsten ausländischen Produktionsstandorte von Japans Auto- und Elektronikindustrie. Und der hohe Yen drückte noch weiter auf die Exporte.

Daher senkten allein die Netto-Exporte das BIP um 2,6 Prozentpunkte. Auch viele Konzernbilanzen spiegeln das Leid wieder. Der Elektronikkonzern Panasonic erwartet für sein bis Ende März laufendes Bilanzjahr 2011 einen Rekordverlust von 7,8 Milliarden Euro und Sony ein Minus von 2,2 Milliarden Euro.

Dennoch herrschte gestern weder an den Märkten noch unter den Auguren schlechte Stimmung. Der Nikkei-Aktienpreisdurchschnitt stieg um 0,6 Prozent auf 8999,18 Punkte. Und kaum ein Ökonom senkte seine Konjunkturprognose. "Wir erwarten nicht, dass die Wirtschaft auch in diesem Quartal schrumpft", begründete Takehiro Sato von der Morgan Stanley MUFG Securities den Optimismus.

Konsum als Hoffnung

Ein Grund ist der stabile Konsum der Japaner, der inzwischen 59 Prozent des BIP ausmacht. Die Menschen sind zwar nicht gerade in Spendierlaune, aber sie sind bisher auch nicht in Paniksparmodus gefallen. Doch vor allem kommt endlich das massive Wiederaufbauprogramm für Japans Nordosten in der Volkswirtschaft an, das die Regierung voriges Jahr verabschiedet hat.

"Die jüngsten Daten für die Industrieproduktion und Bestellungen im Maschinenbau legen nahe, dass die Nachfrage langsam steigt", meint Takuji Aida von der UBS, "wir erwarten daher im laufenden Quartal ein starkes Wachstum." Auch die US-Konjunktur sendet positive Signale, schrieb die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gestern in ihrem Wirtschaftsbericht. Aida ist daher zuversichtlich, dass die Weltkonjunktur in der zweiten Jahreshälfte kräftig anziehen und Japans Wachstum auf 2,5 Prozent beschleunigen wird. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2012)