Österreichs Apotheker staunten nicht schlecht, als sie vergangene Woche das neue Schmerzmittel Paradolor der Firma Stada zu Gesicht bekamen: Diese verpackten den altbekannten und lange bewährten Wirkstoff Paracetamol in eine ganz neue Form, und zwar als eine Art Brausepulver, das ohne Wasser direkt auf die Zunge gestreut werden kann. Empört war die Apothekerschaft allerdings über die Verpackung des neuen Medikaments: Auf rotem und rosa Hintergrund prangt eine appetitliche Erdbeere und eine Vanilleblüte, wie man sie von Joghurts kennt. Noch drastischer ist die Kritik an Paradolor in der Geschmacksrichtung Cappuccino. Die Packung mit einer Kaffeetasse sieht fast aus wie ein Instant-Kaffee. "Es ist überaus bedenklich, ein Arzneimittel, und sei es durch die äußere Anmutung, in die Nähe eines Lebensmittels zu rücken", wettert Heinrich Burggasser, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, das suggeriere ja, dass ein potenziell gefährliches Medikament als Aufmunterer am Nachmittag getrunken werden könne. Paracetamol, der Wirkstoff in Paradolor, sei in hohen Dosen, und vor allem zusammen mit Alkohol eingenommen, stark toxisch für die Leber - "und Alkoholismus ist, wie wir wissen, in Österreich weit verbreitet." Jedenfalls hat die Apothekerkammer diese marketingtechnisch fragwürdige Produktinnovation bereits bei der Ages, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, zur Anzeige gebracht, so Burggasser.

Noch nie da gewesen

"Das Verfahren läuft bereits, deshalb kann ich derzeit keine Aussagen zu Paradolor machen", sagt Marcus Müllner, Bereichsleiter der zuständigen Ages PharmMed. Wie konnte es dieses Arzneimittel überhaupt durch das strenge Zulassungsverfahren der Behörde schaffen? Bei den jährlich 20. 000 zu überprüfenden Variationen für Arzneimittel könne es sein, dass eine Änderung der Verpackung von den Behörden gar nicht explizit überprüft wurde, so Müllner. Jedenfalls sei der Fall, dass ein Arzneimittel wie ein Genussmittel vermarktet wird, hier in Österreich in dieser Form ein Novum. Denn Vorgaben, wie eine Verpackung für ein Arzneimittel genau auszusehen habe, gebe es zwar, so Müllner, aber neben der Information zum Wirkstoff und der Kennzeichnung inklusive Brailleschrift für Blinde gibt es noch gestalterischen Freiraum.

Aber auch Müllner ist sich der Gefahr des Wirkstoffs Paracetamol bewusst. Er erinnert sich sogar an eine Suizidwelle in Großbritannien, die von einer Fernsehserie in den 80er-Jahren ausgelöst wurde. Ein Protagonist hatte sich in der Serie mit Paracetamol und Alkohol umgebracht, sein Vorbild fand Nachahmer. "Es ist kein chronischer Tod, sondern nach ein paar Tagen löst sich die Leber auf", so Müllner.

Gabriele Hartl, Marketingleiterin bei Stada, ist über die herrschende Empörung überrascht. "Es gibt eine ganze Reihe von Medikamentenverpackungen, auf denen Früchte wie Zitronen, Orangen oder Bananen abgebildet sind, sogar auch auf Medikamenten mit Paracetamol", erklärt sie, auch vonseiten der Behörden gebe es keinerlei Einschränkungen, was die Abbildung von Früchten betrifft. "Eine Zitrone ist ein Symbol für Vitamin C, auf Arzneimittelverpackungen regt das nicht zum Konsum an", wirft Burggasser ein, gerade Vanille und Erdbeere sprächen besonders Kinder an, und das sei die allergrößte Gefahr. Er jedenfalls verstehe nicht, warum das Arzneimittelunternehmen Stada nicht im Vorfeld Expertenmeinungen eingeholt hat.

Zurückrudern

In rechtlicher Hinsicht sei man sich keiner Schuld bewusst, so Stada-Sprecherin Hartl. Über die Aufregung sei man überaus unglücklich, zumal man viel Aufwand in die neue Darreichungsform als Granulat, das ohne Wasser auf der Zunge zergeht, gesteckt habe. Sie versichert, dass Stada bemüht sei, das Problem zur Zufriedenheit aller zu lösen. "Es war nicht unsere Zielsetzung, ein Medikament als Genussmittel zu bewerben. Jetzt sind also erst einmal wieder die Behörden am Zug. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 13.02.2012)