Bild nicht mehr verfügbar.

Polizisten vor einem brennenden Haus in London, das während der Ausschreitungen im Sommer - an denen Jugendbanden maßgeblich beteiligt gewesen sein sollen - in Brand gesetzt worden war.

Foto: EPA

Die Londoner Polizei greift scharf durch gegen Jugendbanden. In einer Großaktion von mehr als 300 parallel verlaufenden Razzien in der ganzen Stadt verhaftete Scotland Yard rund 160 Gang-Mitglieder, stellte ein Kilogramm Heroin sowie eine "erhebliche Menge" Kokain sicher und beschlagnahmte Waffen ebenso wie Bargeld.

Der akribisch geplante Schlag gegen die Jugendbanden soll erst der Anfang einer nachhaltigen Kampagne sein. "Das ist ein Quantensprung in der Bekämpfung der Bandenkriminalität", erklärte der Polizeipräsident Bernard Hogan-Howe. "Es wird uns erlauben, die schlimmsten Gangs und Gang-Mitglieder zu identifizieren und schonungslos zu verfolgen."

Im vergangenen Sommer hatten bei den viertägigen schweren Krawallen in London die Jugend-Gangs laut Behörden eine zentrale Rolle gespielt. Jetzt will Scotland Yard zurückschlagen. Rund tausend Polizisten, kündigte Hogan-Howe an, werden künftig bei "Operation Trident" eingesetzt.

Die Spezialeinheit wird sich ausschließlich der Bekämpfung der Jugendbanden widmen. Denn die Ausbreitung von Gangs in London ist zu einem wachsenden Problem geworden. In der Hauptstadt, schätzt die Polizei, gibt es 435 Gangs mit insgesamt rund 4800 Mitgliedern, 250 davon gelten als "kriminell aktiv". Sie sollen für die Hälfte aller Schießereien, 40 Prozent aller Raubüberfälle und 14 Prozent aller Vergewaltigungsfälle verantwortlich sein.

Banden direkt ansprechen

"Wir wissen ziemlich genau Bescheid über die Gangs", sagte Hogan-Howe. "Wir werden sie direkt ansprechen: Wir wissen, dass du ein Gang-Mitglied bist und wollen, dass du aufhörst. Wenn nicht, werden wir an deine Tür klopfen."

Boris Johnson, der Bürgermeister von London, stellt sich voll hinter seinen Polizeipräsidenten. Man müsse "die Anführer eliminieren und die beeinflussbaren Jugendlichen von diesem destruktiven Leben weglocken", erklärte er. Im kommenden Mai wird in London gewählt, das Gang-Problem ist auch ein Politikum. Herausforderer Ken Livingstone von Labour will den konservativen Johnson übertrumpfen und 1700 weitere Polizisten einstellen.

Die Null-Toleranz-Botschaft findet auch Kritiker. "Man wird keinen Erfolg haben, wenn man nur die Peitsche und nicht auch Zuckerbrot anbietet", erklärte Jenny Jones, die Kandidatin der Grünen. "Die beste Lösung für Gangs, Gewalt und Messer ist ein Job."

Bei den Ausschreitungen im Sommer hatten sich Banden über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook und über das "BlackBerry-Messenger"-System organisiert: Sie verabredeten sich, um an einem bestimmten Ort zuzuschlagen, die Polizei kam immer zu spät. Und weil die Randale gleichzeitig und an vielen verschiedenen Orten stattfand, fanden sich die Sicherheitskräfte völlig überfordert.

Die Ordnungshüter waren schnell in die Kritik geraten. Zu wenig, zu langsam, zu ängstlich - das waren Vorwürfe, die die Polizei empfindlich trafen, zumal sie auch noch von einer konservativen Regierung kamen. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2012)