Studienautor Rudolf Winter-Ebmer ist Wirtschaftswissenschafter an der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Foto: Johannes-Kepler-Universität Linz

Zwar bekommen höher gebildete Frauen weniger Kinder als Frauen mit niedrigerer Bildung, aber ob mehr Bildung tatsächlich der Grund für Kinderarmut sei, bezweifelte der Linzer Ökonom Rudolf Winter-Ebmer. An der Johannes-Kepler-Universität Linz wurden die kausalen Effekte von Bildung und Fertilität untersucht. Bisher belegten zahlreiche Studien, dass Frauen aufgrund ihrer hohen Bildung wenig bis keine Kinder bekommen, für die ForscherInnen inzwischen ein Mythos. "Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen, die aufgrund der Verlängerung der Schulpflicht besser gebildet sind, bisher nicht weniger, sondern mehr Kinder gehabt haben", schildert Winter-Ebmer gegenüber dieStandard.at das zentrale Forschungsergebnis der vom FWF finanzierten Studie.

In Kooperation mit Margherita Fort aus Bologna und Nicole Schneeweis aus Linz hat Winter-Ebmer Daten von mehr als 6000 Frauen aus acht europäischen Ländern untersucht. Gleichzeitig haben sich die ForscherInnen Änderungen der gesetzlichen Schulpflicht zwischen 1942 und 1967 näher angesehen und auf mögliche Zusammenhänge hin ausgewertet.

Nicht weniger, sondern mehr Kinder

Bei der Untersuchung der historischen Situation haben die ForscherInnen die Geburtsraten verschiedener Frauengruppen verglichen. Das Ergebnis war recht deutlich: "Wenn man die verpflichtende zusätzliche Schulbildung betrachtet, also jene Frauen, die ihre Schulbildung aufgrund der Verlängerung der gesetzlichen Schulpflicht ausweiten mussten, dann ergibt eine Verlängerung der Ausbildung nicht weniger, sondern mehr Kinder", so Winter-Ebmer.

Ein zusätzliches Jahr an Schulbildung, so errechneten es die WissenschaftlerInnen, reduziere die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau kinderlos bleibt, um zirka zehn Prozent. Außerdem bekomme, Winter-Ebmer zufolge, jede fünfte Frau aufgrund der höheren Bildung ein zusätzliches Kind. "Eine Verlängerung der Schulpflicht sollte generell nur Frauen mit geringer Bildungsneigung beeinflussen. Für diese Frauen bedeutet die höhere Bildung eine Chance auf höheres Einkommen, wodurch sie sich mehr Kinder leisten können. Gegenläufige Effekte - weniger Fertilität durch stärkere Erwerbsbeteiligung - sind offenbar nicht so stark ausgeprägt", erklärt der Ökonom das Resultat.

Der Heiratsmarkt winkt

Darüber hinaus zeige die Studie, dass zusätzliche Schulbildung auch zu einer höheren Heiratswahrscheinlichkeit sowie zu einer niedrigeren Scheidungs- und Trennungsrate führe. "Man könnte sagen, dass ein Teil des Resultats durch den Einkommenseffekt auf dem Arbeitsmarkt und ein weiterer Teil durch den 'Heiratsmarkt' zustande kommt", differenziert der JKU-Forscher.

Beeindruckt von Obama

Doch was bedeuten diese Ergebnisse und welche politische Relevanz haben sie? "Bisher war man der Meinung, dass auf höhere Bildung zwangsläufig auch eine geringere Fertilität folgt. Laut unserer Studie muss das nicht so sein", so der Linzer Ökonom. Dass Obama in seiner Rede an die Nation eine Verlängerung der Schulpflicht fordert, scheint Winter-Ebmer zu beeindrucken. (red, dieStandard.at 9.2.2012)