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Verstehen, warum der Mensch wider besseres Wissen die Umwelt und damit Lebensgrundlage zerstört. Das fragt die Umweltpsychologie.

Foto: ap/WINFRIED ROTHERMEL

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Hält die Vorlesung Umweltpsychologie: Renate Cervinka.

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Wien - Kathrin Röderer hat am Dienstag ihre Dissertation zum Thema Umweltpsychologie eingereicht. Wenn alles gutgeht, ist sie im Juni fertig mit dem Doktorat. Vielleicht als eine der Letzten, denn ab Herbst wird das Fach in Wien wohl nicht mehr angeboten - zumindest scheint es nicht mehr im Mastercurriculum auf.

Renate Cervinka, die seit 1986 die Lehrveranstaltung leitet, wird nach dem Sommersemester in Pension gehen. Ob ihre Stelle am Institut für Umwelthygiene nachbesetzt wird, ist offen. Von Seiten der Psychologie heißt es, man werde schauen, ob man vielleicht jemanden findet. Falls sich niemand findet (oder nicht gesucht wird), bedeutet dies das Aus für das Forschungsgebiet in Wien.

"Muss es alles überall geben?"

"Umweltpsychologie ist und war nie ein Schwerpunkt der Uni Wien und wird es in absehbarer Zeit auch nicht werden", sagt eine Sprecherin des Rektorats. Eine ordentliche Professur gab es nie, Cervinka ist über eine Assistenzprofessur an der Med-Uni angestellt. Das Wahlfach würde nur von 35 Leuten belegt werden, so das Argument der Universität. Die Ressourcen seien nun einmal begrenzt, und es stelle sich die Frage "ob es alles überall geben muss". Schließlich könnten Interessierte den Schwerpunkt Umweltpsychologie in Salzburg und Graz vertiefen.

"Institutionelle Probleme" ortet auch Alexander Keul von der Uni Salzburg, wenn es um seine eigene Nachbesetzung geht. "Dummes Sparen" sei das, wenn die praxisorientierte Forschung über die Mensch-Umwelt-Beziehung nur mehr oberflächlich stattfindet.

Dabei untersucht Umweltpsychologie genau das, was an Brisanz kaum zu überbieten ist: Wie sich menschliches Leben auf die Umwelt auswirkt und welchen Einfluss wiederum die Umwelt auf unser Befinden hat. "Wir legen dabei nicht die Umwelt auf die Couch", sagt Cervinka. Im Gegensatz zu ökotherapeutischen Ansätzen, die sich am Phänomen orientieren, arbeite die Umweltpsychologie naturwissenschaftlich und evidenzbasiert. Nichts Esoterisches also.

Kathrin Röderer untersucht in ihrer Doktorarbeit die positiven Einflüsse der Natur auf die Gesundheit. Zurzeit arbeitet sie an einem Projekt des niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds, in dem die heilungsfördernde Wirkung von Krankenhausgärten und Parks evaluiert werden soll. Drei Landeskliniken nehmen an der Studie teil.

Erforscht wird in der Umweltpsychologie auch, wie stark sich die Berichterstattung über den Klimawandel auf Umweltangst bei Kindern auswirkt, ob Handys einen Tinnitus begünstigen können oder ob uns Navi-Geräte verblöden lassen. Das Feld der Umweltpsychologie ist weit.

Keul erzählt, er habe zum Teil so gute Bachelor-Arbeiten abgeliefert bekommen, dass er die Studierenden auf internationalen Kongressen referieren ließ. Trotzdem sei das Fach eher im Rückzug. "Wenn aber auf der politischen Agenda steht, dass bis 2020 alle Neubauten Passivhäuser sein sollen, muss auch dar Wohlfühlfaktor und die tatsächliche Nachhaltigkeit kontrolliert werden." Das Interesse der Studenten sei jedenfalls sehr hoch.

An der Med-Uni räumt ein Sprecher ein, es sei nun einmal Teil des Sparprogramms, offene Stellen "sehr restriktiv" zu behandeln. Ob jemand das Lehrangebot von Renate Cervinka übernehmen kann, werde noch geprüft. Ihre Studenten fordern jedenfalls einen Erhalt der Ausbildung in Wien. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.2.2012)