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Durch den Besuch der Hunde finden auch die Bewohnerinnen des Altenheims wieder zueinander.

Foto: APA/Arno Burgi

Stimmengewirr, Geschirrklappern und das Rascheln von Plastiksäcken, die von PflegerInnen durch die Gänge getragen werden. Am Vormittag herrscht außerhalb der Zimmer im Pflege- und Sozialzentrum der Caritas Socialis im 23. Wiener Gemeindebezirk ein hoher Geräuschpegel. Es ist Zeit für die Morgentoilette der BewohnerInnen, Zimmer werden gereinigt und das Frühstücksgeschirr wieder aus den Zimmern geräumt.

Im Aufenthaltsraum des Westflügels ist es ruhig. Das Zimmer ist aber keinesfalls leer: Neun ältere Damen sitzen im Kreis und warten. Manche Frauen schließen immer wieder die Augen und schlafen kurz ein. Andere starren aus dem Fenster. Nur eine resolute Seniorin im Rollstuhl durchbricht die Stille. "Die Viecherln sind ja noch gar nicht da!", ruft sie und schüttelt den Kopf.

Psychische und physische Hilfe

Als "die Viecherln" dann zehn Minuten später in den Raum stürmen, macht sich ein Lächeln auf dem Gesicht der Dame breit. Fünf Hunde, vom Puli bis zum Chihuahua, begrüßen nahezu jede der Wartenden persönlich und lassen sich geduldig streicheln. Sie sind die vierbeinigen Helfer des Vereins "Tiere als Therapie" und kommen alle zwei Wochen zu Besuch ins Pflegeheim. 

Sie würden den älteren Leuten sowohl psychisch als auch physisch helfen, ist sich die Geschäftsführerin des Vereins, Helga Widder, sicher. Durch das Streicheln werde die Feinmotorik und durch das Werfen eines Balles die Grobmotorik der SeniorInnen trainiert. Die Erinnerung an die eigenen Haustiere werde zusätzlich als positiv empfunden.

Gegen das Vergessen

Der kleine Chihuahua wälzt sich in der Mitte des Sitzkreises auf dem Boden, springt in die Luft und tanzt auf seinen Hinterpfoten. Die Kunststücke sollen die Anwesenden unterhalten. Unterdessen hockt sich Helga Widder vor eine Dame im Rollstuhl und beginnt ein Gespräch: ob sie sich noch an Speisen aus ihrer Kindheit erinnern könne. "Gansl", ist die knappe Antwort der Frau, sie lächelt und sieht nicht auf, während sie den Hund weiter streichelt.

Doch nicht alle Anwesenden können sich an die Gerichte ihrer Kindheit erinnern. Auch wenn man ihnen ansieht, dass sie sich anstrengen. Dennoch entstehen kurze Gespräche zwischen den Sitznachbarinnen, und Widder sagt: "Während der Therapie beginnen Menschen, die gemeinsam wohnen, aber noch nie miteinander geredet haben, zu plaudern." Eine Therapie eben, bei der niemand merkt, dass es eine ist.

Pause nach dem Einsatz wichtig

Die Hunde sind allesamt ausgebildete Therapietiere. Das bedeutet, dass sie gemeinsam mit ihren BesitzerInnen mindestens 24 Praxis- und 16 Vorlesungseinheiten absolviert haben. Nach der praktischen Prüfung dürfen die Vierbeiner dann eingesetzt werden, wobei noch fünf Assistenzbesuche verpflichtend sind, bei denen die BesitzerInnen überprüft werden. 

Es sei laut Widder wichtig, dass etwa ein Hund nicht mehr als zwei- bis dreimal pro Woche arbeitet: "Man muss sein Tier lesen können und eine Überforderung rechtzeitig erkennen." Außerdem sei die Nachbereitung wichtig: "Meine Hunde brauchen nach den Heimbesuchen eine Stunde Auslauf, und dann schlafen sie erst einmal." Und damit beginnt Widder ihre Runde im Sitzkreis erneut.

Kleine Schritte

Diesmal hat sie ein Säckchen dabei, in dem sich Formen zum Kekseausstechen befinden. Sie bittet die Anwesenden, eine Form zu ziehen und gemeinsam mit den anderen zu raten, um welches Motiv es sich handeln könnte. Bei manchen Damen dauert das Prozedere nur eine Minute. Für andere Heimbewohnerinnen hingegen ist es schwieriger. "Ich weiß, dass es nicht spektakulär aussieht, wenn eine Frau fünf Minuten braucht, um eine Form aus dem Säckchen zu nehmen. Das ist es aber", sagt Widder. Immerhin verlieren viele BewohnerInnen nach einem Schlaganfall oder altersbedingt ihre Kraft.

Nach einem letzten Kunststück der Hunde und ein paar abschließenden Worten der Therapeutinnen bleiben die Bewohnerinnen für einen Moment alleine im Raum zurück. Der Unterschied zu vorhin: der Lautstärkepegel. Es wird gelacht und geplaudert. (Bianca Blei, derStandard.at, 9.2.2012)