Seit Tagen wird das Leserbrief-Postfach des Standard mit Briefen von Frauen gefüllt, die alle ungefähr das gleiche sagen: Die von der ÖVP und den meisten Pensionsexperten geforderte rasche Angleichung des Frauenpensionsalters an das der Männer, das nach derzeitigem Stand erst im Jahr 2024 beginnen soll, wäre ein Schlag gegen die Frauenrechte und würde ohnehin schon benachteiligte Arbeitnehmerinnen weiter hart treffen.

Frauen seien über 50 oft krank und kaum noch arbeitsfähig, heißt es, und das Recht, fünf Jahre früher in Pension zu gehen, sei ein notwendiger Ausgleich für geringere Bezahlung und schlechte Aufstiegschancen.

Die Briefe klingen so ähnlich, dass man eine Kampagne dahinter vermuten muss. Und tatsächlich haben die ÖGB- und SP-Frauen, angeführt von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die Verteidigung des jetzigen Fahrplans für die Angleichung als zentrale Forderung an ihre Fahnen geheftet. Die Chancen, dass sie die Angleichung zumindest noch auf Jahre hinauszögern können, stehen gut.

Das ist schlecht.

Das ist schlecht für das Budget, schlecht für die Volkswirtschaft und vor allem schlecht für den Status der Frau in unserer Arbeitswelt. Das frühere Pensionsantrittsalter für weibliche Arbeitnehmer ist ein Relikt aus einer vergangenen Ära, das schleunigst abgeschafft gehört.

Es stimmt, dass viele arbeitende Frauen immer noch benachteiligt werden, und dass sich das auf ihre Pensionshöhe niederschlägt. Aber das gilt nicht pauschal für alle Frauen.

Ein sinnvoller Ausgleich sind Maßnahmen zur Sicherstellung einer fairen Bezahlung und eine Anrechnung von Kindererziehungsjahren auf die Pension -  all das ist in den letzten Jahren passiert. Aber alle Frauen deshalb früher in Pension gehen zu lassen, ist vom grundsätzlichen Ansatz her falsch.

Es schadet auch Unternehmen, die oft erfahrene Kräfte verlieren, für die es angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels keinen guten Ersatz gibt.

Es schadet der Wirtschaft allgemein, die Frauen fürs Nichtstun bezahlen muss, wenn sie noch Jahre produktiv arbeiten könnten. Das gilt auch für männliche Frühpensionisten, für Frauen wegen des früheren Antrittsalters aber noch mehr.

Am meisten schadet es den Frauen selbst. Im Einzelfall werden Frauen oft gezwungen oder gedrängt, in Ruhestand zu gehen, wenn sie es eigentlich noch nicht wollen. Sie enden mit einer geringeren Pension, als wenn sie länger arbeiten würden. Gerade die Jahre mit dem besten Verdienst gehen für viele verloren.

Vor allem aber zementiert das frühere Pensionsalter eine Zweiklassengesellschaft in der Arbeitswelt ein. Spätestens ab 50 werden Frauen auch deshalb nicht mehr weitergebildet oder befördert, weil sie ja ohnehin nicht mehr lange arbeiten werden. Kaum dass sie die Benachteiligung wegen tatsächlicher und möglicher Mutterschaft hinter sich gelassen haben, taucht die kommende Pensionierung am Horizont auf.

Die Frauen, die heute und morgen davon betroffen sind, sind nicht mehr die Trümmerfrauen der Wiederaufbauzeit. Darunter sind viele Frauen, die in den siebziger Jahren studiert haben, die ihr Leben lang für Gleichberechtigung gekämpft haben, und die oft gute Jobs halten. Und nun sollen sie zu arbeiten aufhören, weil ihrem Geschlecht so viel Böses angetan wurde?

Natürlich ist es für viele nett, wenn sie spätestens ab 60 – aber oft schon ab 55 – mehr Zeit für Reisen oder für Gartenarbeit haben oder sich um die gerade angekommenen Enkel kümmern können. Pensionierte Großmütter sind eine Säule der Kinderbetreuung in Österreich. Aber ist das das Frauenbild, das Heinisch-Hosek & Co erhalten wollen?

Gerade die Frauenministerin hat immer wieder mit klugen Vorschlägen aufhorchen lassen. Warum sie sich hier an eine völlig überholte Regelung klammert, ist unverständlich. Entweder ist sie selbst verblendet, oder traut sie sich nicht gegenüber anderen Funktionärinnen, ein einmal erkämpftes „Privileg“ infrage zu stellen.  

Was wir haben, werden wir mit Händen und Füßen verteidigen, ist die Devise, die Heinisch-Hosek offenbar von ihrem Verhandlungsgegner Fritz Neugebauer gelernt hat. Schade.