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Durch den Berg ist nicht immer ein Muss, die Weichen können auch vorbeigeführt werden.

Foto: APA/Roland Schlager

Beim Bahnausbau steigt die Regierung auf die Bremse. Um bis 2017 eine Milliarde Euro beim Bahnausbau zu sparen, sollen die drei Milliardentunnelprojekte abgespeckt, langsamer gebaut und Bahnhöfe später renoviert werden.

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Wien - Die letzten Kilometer sind auch bei der Bundesbahn die härtesten. Denn die Koalitionspartner eint in seltener Zweisamkeit, die Weichen keinesfalls in Richtung Umfahrung der drei großen Tunnel zu stellen. Koralm-, Semmering- und Brennerbasistunnel mit Planungs-, Bau- und Finanzierungskosten jenseits der 20 Milliarden Euro sind weiterhin sakrosankt.

Um die drei - auch unter Verkehrsexperten höchst umstrittenen - Löcher zu retten, sucht man nun fieberhaft nach Möglichkeiten für Verzögerungen und Verschiebungen - immer unter der Prämisse, das jeweilige Gesamtprojekt nicht zu gefährden und Mindeststandards an Sicherheit zu erhalten. Und trotzdem bis 2016 insgesamt eine Milliarden Euro an Zuschüssen der Republik zum voluminösen Bahnausbauprogramm einzusparen.

Als in Stein gemeißelt gilt auch: Es wird nicht auf einröhrige Tunnelvarianten abgespeckt, weil dies deren Kapazität dramatisch senkt. Personen- und Güterzüge dürften nie gleichzeitig einen Tunnel passieren. Das wiederum würde die beim Koralmtunnel ohnehin nicht gegebene Rentabilität noch weiter drücken. Ohne dramatische Verkehrsexplosion wird die Bahn gemäß Streckenerfolgsrechnung auf der Koralmstrecke nicht einmal die Betriebskosten verdienen.

Perdu wären bei einer einröhrigen Variante des Brennerbasistunnels (BBT) auch die dringend notwendigen EU-Gelder. Der auf mindestens zehn Milliarden Euro taxierte BBT hängt ohnehin in der Luft, Finanzierungszusagen aus Brüssel gibt es nur bis 2013. Gut informierte Quellen wollen nun von zaghaften Anfragen aus Wien wissen, mit denen Reaktionen auf allfällige Umschichtungen der BBT-Gelder auf den Südbahnausbau abgeklopft werden sollen. Offiziell sagt dazu niemand etwas. Außer: Beim BBT sei man in Brüssel und Italien in der Ziehung, daher sei eine Verschiebung "sehr heikel" und eine Absage des verkehrspolitischen Monsterprojekts "kein Thema".

Am leichtesten verabschieden könnte man sich vom Semmeringbasistunnel. Denn für diese Röhre gäbe es relativ kostengünstige Alternativen von Wien über Sopron auf der Raaberbahn hinunter zur Grazer Ostbahn. Dafür fehlt es allerdings an politischem Willen. Denn wohl wird das ungarische Teilstück mit EU-Geldern elektrifiziert und könnte als Verbindung zur Grazer Ostbahn aufgemöbelt werden. Aber für die Politiker in Wien zählt diese Variante nicht, Österreich dürfe nicht umfahren werden. Ergo wurde die Pottendorferlinie das erste Opfer der Haushaltskonsolidierung.

Verschubbahnhof Bahnbau

Womit klar ist: Die eine Milliarde Euro, die die Regierung beim Bahnausbau bis 2016 sparen will, muss zusammengekratzt werden. Denn: Bei weitem nicht alles, das aktuell gebaut wird, braucht sofort Zuschüsse aus dem Budget. Die Belastungen kommen zeitverzögert, quasi wenn die Liquidität der von der ÖBB begebenen Anleihen nicht mehr ausreicht. Gemäß der vor den Verhandlungen über das Sparpaket gültigen Zeitrechnung flossen im Vorjahr 398,9 Millionen Euro Zuschuss in den Bahnausbau, die bis 2016 auf 796,1 Millionen Euro (siehe Grafik) steigen sollten. Nun müssen es pro Jahr 200 bis 250 Millionen Euro weniger sein - ohne die Sicherheit zu unterminieren, wie betont wird.

Neben den spartechnisch vielversprechenden Tunneln geht es vor allem um Kleinvieh wie die Elektrifizierung des Marchegger Asts von Wien nach Bratislava. Der Verzicht bringt laut ÖBB 60 Millionen. Auch einzelne Bahnhofsausbauten werden in die Wartehalle verfrachtet, Nebenbahnen, allen voran in Oberösterreich, will Bures abgeben oder zusperren. Beides geht nicht ohne Zustimmung der Bundesländer, die sich, wie berichtet, bei den laufenden Verhandlungen über die Länderbudgets schadlos halten wollen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2012)