Wien - Eine Lesestunde im Gericht ist für Donnerstag anberaumt. Nur: Was aus den brisanten Akten vom Richter - als Grundlage für sein Urteil - verlesen werden darf, darüber stritten am Mittwoch aufgebrachte Anwälte mit Staatsanwalt Johannes Winklhofer im großen Saal des Grazer Straflandesgerichts, wo der Betrugs- und Steuerhinterziehungsprozess gegen Ex-Sturm-Graz-Präsident Hannes Kartnig und einige seiner ehemaligen Vorstandskollegen in die Zielgerade biegt.

Die Causa ist heikel: Wenn nämlich Akten vor dem Urteil verlesen werden, die zwar im Akt stehen, aber nicht Gegenstand der Verhandlung waren, könnten die Anwälte eine Nichtigkeitsbeschwerde einlegen und der Prozess müsste neu gestartet werden. Auch könnten bei der Verlesung aus den rund 40.000 Seiten Unterlagen darunter sein, die für einen der Angeklagten belastend sein könnten, auf die er aber, weil die Hauptverhandlung schon zu Ende ist, nicht mehr replizieren könnte.

Man einigte sich schließlich darauf, die Verhandlung zu unterbrechen und gemeinsam - Anwälte, Richter und Staatsanwalt - sämtliche Aktenstücke auszuwählen, die verlesen werden, ehe das Urteil am Freitag verkündet wird. Auch die Angeklagten waren für diese Vorgehensweise. Bis auf einen, der ein Veto einlegte: "Nein, so geht das nicht, ich muss erst meine Frau fragen, ob sie einverstanden ist. Die zahlt die Verteidigung. Ich hab kein Geld mehr." Händeringend wird er davon abgehalten und überzeugt, dass dies alles eh in seinem Sinne sei. Und mitten hinein in das hochnervöse Gewurl stichelt Ankläger Johannes Winklhofer genüsslich: "Wieso haben Sie kein Geld mehr?", spielt er auf die früheren guten Geschäfte, die der Angeklagte mit Sturm Graz gemacht hat, an. Hannes Kartnig amüsiert sich bestens über die Provokationen des Staatsanwaltes: "Der ist besser als ich."(mue, DER STANDARD Printausgabe 09.02.2012)