Knapp vor dem Jahreswechsel hat die Europäische Union neue Regelungen für sogenannte Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erlassen. Ein wesentliches Ziel des Maßnahmenpakets besteht darin, hochwertige Dienstleistungen so effizient und kostengünstig wie möglich bereitstellen bzw. einkaufen zu können - in Zeiten der notwendigen Budgetkonsolidierung ein zentrales Anliegen.

Die Schlüsselfrage bei diesen Regelungen ist, wann eine Dienstleistung denn überhaupt im allgemeinen Interesse liegt. Die EU- Kommission will dabei zwar nicht in die Freiheit der Mitgliedsstaaten in der Definitionsfrage eingreifen, sehr wohl aber eine Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch die Gewährung öffentlicher Mittel für Tätigkeiten verhindern, die auf dem freien Markt angeboten werden können.

Für die Kommission ergeben sich daraus zwei Parameter zur Bestimmung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse. Zum einen müssen diese Tätigkeiten von den Mitgliedsstaaten entsprechend eingestuft werden, zum anderen auch einer spezifischen Gemeinwohlverpflichtung unterliegen. Dabei handelt es sich insbesondere um Versorgungs- und Infrastrukturleistungen wie Energie, Wasser, Abfall, Transport, Telekom, Post und Informationsmedien, Sicherheitsdienstleistungen bzw. andere gesellschaftlich relevante Tätigkeiten, wie äußere und innere Sicherheit, Justiz- und Personenstandswesen sowie soziale Dienste, Gesundheitsfürsorge und das Sozial- und Bildungswesen.

Mit oder ohne Markt

Weiters differenziert die EU auch zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen. Und genau hier beginnen die großen Unterschiede. Denn bei Dienstleistungen von allgemeinem nichtwirtschaftlichem Interesse existiert meist kein tatsächlicher oder potenzieller Markt. Zwar muss dies im Rahmen einer Einzelfallprüfung nachgewiesen werden, aber insbesondere in der Hoheitsverwaltung, der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsfürsorge sowie im Bildungswesen ist das Angebot am freien Markt zumeist knapp oder nicht vorhanden. Daher sind hier die Wettbewerbsregeln des EU-Vertrages nicht anzuwenden.

Ganz anders verhält es sich bei den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, für die ein Markt - wenn auch häufig ein eingeschränkter - existiert. Im Interesse der Allgemeinheit müssen diese auch dann erbracht werden, wenn sie am Markt nur unzureichend bereitgestellt werden können. Häufig sind die Leistungen bei Einhaltung der qualitativen Anforderungen und Sicherstellung der Gleichbehandlung und des universellen Zugangs nicht rentabel. In diesem Bereich sind sämtliche Vorschriften des Wettbewerbsrechts, insbesondere des Beihilferechts und des Vergaberechts, zu beachten.

Am Altmark-Urteil orientiert

Für die praktische Umsetzung ist es daher ganz besonders wichtig zu wissen, wann Ausgleichszahlungen an Erbringer solcher Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse keine Beihilfe darstellen. Das von der EU veröffentlichte Paket orientiert sich an der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zum Altmark-Urteil (Rs C-280/00 vom 24. 7. 2003) und statuiert als Voraussetzungen eine klare Aufgabendefinition, die Einhaltung von Transparenz und die Objektivität bei der Berechnung der Ausgleichszahlung. Zusätzlich wird daran erinnert, dass die Durchführung eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens bei der Auswahl des Erbringers Überkompensationen und damit das Vorliegen von Beihilfen verhindert.

Genehmigte Beihilfen

Außerdem sind in dem Paket Voraussetzungen festgelegt, wann eine Ausgleichszahlung, die mangels Erfüllung vorgenannter Kriterien als Beihilfe zu beurteilen ist, infolge einer Notifikation bzw. Anmeldung als mit dem Binnenmarkt vereinbar zu beurteilen ist und somit genehmigt wird. Bestimmte Sektoren, insbesondere in der Hoheitsverwaltung, in der Gesundheitsfürsorge und im Bereich der sozialen Dienste werden unter bestimmten Voraussetzungen von der Notifikations- und Anmeldepflicht befreit.

Schlussendlich wurde der Entwurf einer De-minimis-Verordnung veröffentlicht, wonach grundsätzlich keine beihilfenrechtliche Kontrolle bis zu einem Betrag in Höhe von 500.000 Euro für drei Jahre erfolgt. (Robert Ertl, DER STANDARD, Printausgabe, 8.2.2012)