Wiens Bürgermeister Häupl über das Koalieren mit der FPÖ: "Diese politische Option würde eine Koalition mit einer Partei bedeuten, die sich als Vorfeldorganisation Kriminelle hält."

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STANDARD: Wenn man den Worten des Vizekanzlers folgt, müsste das Sparpaket schon fertig sein.

Häupl: Wenn er glaubt, auf diese Art und Weise Druck auf die SPÖ erzeugen zu können, ist er im Irrtum. Ich glaube, der Vizekanzler ist da einem Trugschluss erlegen. Der Weg, in Ruhe Verhandlungen zu führen und eine inhaltliche Übereinstimmung zu erzielen, ist der weitaus vernünftigere.

STANDARD: Also wird es jetzt noch länger dauern?

Häupl: Nein. Der Bundesvorsitzende der SPÖ lässt sich da keineswegs aus der Ruhe bringen. Es wird in aller gebotenen Ruhe und Ernsthaftigkeit verhandelt und demnächst eine Einigung geben.

STANDARD: Im Zuge des Sparpakets wird auch eine Neuordnung der politischen Institutionen diskutiert. Die Vorschläge betreffen Bundespräsident, Nationalrat, Bundesrat und Landtage.

Häupl: Wir werden auch in Wien diskutieren, aber ich bin der Meinung, dass es sich um symbolische Akte handelt.

STANDARD: Sie wären dazu bereit, in Wien die Anzahl der Abgeordneten im Landtag zu reduzieren?

Häupl: Man kann darüber reden. Aber ich meine, man soll nicht bei jenen anfangen, die ohnehin schon am sparsamsten sind. Ich glaube, da sind andere noch vor uns dran.

STANDARD: Ein Vorschlag war, den Bundespräsidenten in der jetzigen Form abzuschaffen.

Häupl: Dem kann ich gar nichts abgewinnen, um das ganz deutlich zu sagen. Die Rolle des Bundespräsidenten im Staatsgefüge ist durchaus eine gewichtige, vor allem auch bei der Bildung einer Regierung. Wo man aber etwas machen kann, ist bei der Zahl der Nationalräte. Beim Bundesrat bin ich für eine inhaltliche Aufwertung, nicht für seine Abschaffung.

STANDARD: Das heißt weniger Nationalratsabgeordnete? Wir hatten ja schon einmal 165.

Häupl: Wenn man da eine Reduzierung vornimmt, würde das die Republik nicht infrage stellen. Beim Bundesrat bin ich dafür, dass er ein Vetorecht bei Finanzausgleichsgesetzen bekommt. Man kann ihn durchaus auch mit Landtagsabgeordneten beschicken. Aber das sind Handlungen der politischen Symbolik. Budget werden wir damit keines sanieren.

STANDARD: Die Länder und die Landeshauptleute gelten als die großen Reformverweigerer, als die Bremse im System. Wie zeitgemäß ist der Föderalismus denn noch?

Häupl: Der ist absolut zeitgemäß. Die Reformverweigerung durch die Landeshauptleute ist eine Chimäre. Schauen Sie sich an, was wir mit der Wiener Spitalsreform auf den Weg gebracht haben. Im Bildungssystem haben wir wesentliche Vorschläge unterbreitet, die tatsächlich auch darauf hinauslaufen, zu kostengünstigeren Strukturen zu kommen. Die neuen Landesbildungsdirektionen sind Vorschlag von Erwin Pröll und mir. Wir sind keine Reformverweigerer, wir wollen nur eines nicht: Wir wollen uns nicht Aufgaben zuschieben lassen, die vom Bund zu erfüllen und vom Bund zu finanzieren sind.

STANDARD: Wenn Sie zu Verhandlungen mit der Bundesregierung schreiten, wo liegen Ihre Loyalitäten? Beim Ihrem Kollegen Pröll in Niederösterreich oder bei Ihrem Parteigenossen, dem Kanzler?

Häupl: Das ist eine relativ einfache Geschichte. Wenn es um Länderinteressen geht, etwa um die Finanzierung der Bundesländer oder der Gemeinden, dann gibt es mit Sicherheit mehr Gemeinsamkeiten mit dem Kollegen in St. Pölten als mit manchem Bundespolitiker, auch wenn er der eigenen Partei angehört.

STANDARD: Bei der Erbschaftssteuer sind Sie mit Ihrem Bundesparteiobmann auch nicht einer Meinung. Die scheint aufgrund eines strikten ÖVP-Neins jetzt vom Tisch. Diskutiert wird nun die Anhebung des Spitzensteuersatzes oder die Streichung der Steuerbegünstigungen beim 13. und 14. Gehalt. Was davon fände Ihre Zustimmung?

Häupl: Ich kann und will das nicht beurteilen. Ich weiß noch von dreimal so vielen Vorschlägen, die eingebracht wurden. Ich höre auch von einer Erbschaftssteuer light. Damit ich da nicht missverstanden werde: Ich habe nur darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Leute keine Erbschaftssteuer will. Ich wurde dann darauf hingewiesen, dass ein erheblicher Teil der Leute überhaupt keine Steuern will. Das ist auch richtig, daraufhin habe ich mich aus dieser fundamental intellektuellen Diskussion zurückgezogen.

STANDARD: Ein großer Teil des Konsolidierungsbedarfs soll über den Pensionsbereich erfolgen. Vom Wähleranteil her gesehen ist die SPÖ so etwas wie eine Pensionistenpartei. Da wäre Ihre Klientel dann besonders stark betroffen.

Häupl: Die Altersstruktur bei der ÖVP ist auch nicht besser. Dass bei den Pensionen etwas gemacht werden wird, liegt auf der Hand. Aber man muss da sehr behutsam vorgehen. Von einer Nulllohnrunde halte ich nichts, und noch weniger halte ich von einer Nullpensionsrunde. Man muss auch darauf schauen, dass die Kaufkraft der Pensionisten erhalten bleibt.

STANDARD: Aber die Anhebung des Pensionsalters steht außer Frage?

Häupl: Wir bemühen uns darum, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben. Das passiert auch. Das ist in den meisten Bereichen gut, aber nicht in allen. Einen 60-jährigen Feuerwehrmann, der über die Leiter von Balkon zu Balkon huscht, kann ich mir schwer vorstellen. Den 60-jährigen Müllmann, der jeden Tag 200 Tonnen durch die Gegend schleppt, kann ich mir auch schwer vorstellen. Auch Krankenschwester oder Pfleger sind ein physisch sehr anspruchsvoller Beruf.

STANDARD: Sie meinen, in diesen Bereichen hat die Frühpensionierung durchaus ihre Berechtigung?

Häupl: Ja, in bestimmten Bereichen hat sie eine Berechtigung, das ist überhaupt keine Frage.

STANDARD: Gilt das Gleiche auch für die Invaliditätspension? Das ist ja ein riesiges Schlupfloch in die Frühpension.

Häupl: Das wird gerade durchforstet. Das muss man sich anschauen, ob das alles der Realität entsprochen hat. Auch die Korridorpension muss man sich anschauen ebenso wie die Hacklerreglung. Das sind ja viele Beamte, die das in Anspruch nehmen.

STANDARD: Genau da sperrt sich die SPÖ aber. Sozialminister Hundstorfer will die Hacklerpension offenbar nicht früher zurückfahren.

Häupl: Die SPÖ ist gern vertragstreu. Dass man alle paar Monate etwas ändern will, was vorher anders ausgemacht war, das geht einem ordentlichen Sozialdemokraten eben ziemlich auf die Nerven.

STANDARD: Aber man kann klüger werden und Vereinbarungen ändern, wenn sie nicht sinnvoll sind.

Häupl: Ja, kann man. Aber man soll vertragstreu und verlässlich sein.

STANDARD: Leute, die Ihnen wohlwollend gegenüberstehen, meinen, dass Sie nach einer Phase des nachhaltigen Grantelns jetzt wieder mit mehr Freude und Elan bei der Sache sind. Ist das so?

Häupl: Man ist nicht immer gleich gut drauf. Ja, natürlich, ein Wahlkampf, der um ein Mandat schiefgegangen ist, führt eben zu einer neuen Herausforderung. Dass es wirklich gelungen ist, etwas Neues daraus zu machen, ist doch gut. Nach mehr als einem Jahr kann ich jetzt sagen: Diese Koalition mit den Grünen funktioniert wirklich gut. Und zwar nicht nur vom äußeren Anschein her anders als etwa die Koalition auf Bundesebene, sondern auch vom inneren Arbeiten. Ich muss sagen: Ja, das macht Spaß.

STANDARD: Wenn FPÖ-Chef Strache sagt, "Wir sind die neuen Juden", und Vergleiche mit der sogenannten "Reichskristallnacht" zieht, fühlen Sie sich da provoziert oder tun Sie das als freiheitliche Rhetorik ab, die man eben hinnehmen muss.

Häupl: Das kann man nicht hinnehmen. Wenn sich heute jemand als "Neue Juden" bezeichnet, weil es Meinungskundgebungen gegen eine bestimmte Veranstaltung gibt, oder wenn jemand von der "Reichskristallnacht" spricht, weil Ballgeher angeblich angegriffen wurden, während gleichzeitig der ehemalige Vorsitzende des Bundesrates von Rechtsradikalen krankenhausreif geschlagen wurde, ist das nicht hinnehmbar. Da werden wir uns auch in Wien etwas überlegen müssen. Wir müssen nach außen sichtbar machen, dass Demokratie, Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Rücksichtnahme auf den anderen und Respekt völlig unverzichtbare Werte sind. Wir können nicht den rechtsradikalen Schlägern die Straße überlassen.

STANDARD: Die ÖVP hält sich nach wie vor eine Koalition mit den Freiheitlichen offen.

Häupl: Eine Verurteilung der Tätlichkeiten und der Sager vom Strache habe ich dort schon auch gehört. Was eine Koalition betrifft, habe ich nichts gehört. Ich weiß nicht, was einen Obmann einer christlichsozialen Partei bewegt, hier nicht klar und deutlich auf Distanz zu gehen. Diese politische Option würde eine Koalition mit einer Partei bedeuten, die sich als Vorfeldorganisation Kriminelle hält. Die ÖVP wird wissen, was sie tut und welche Verantwortung sie auf sich nimmt. Eigentlich kann man mit solchen Leuten keine Koalition eingehen - aus ganz grundsätzlichen Erwägungen.

STANDARD: Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, Sie wüssten nicht, was Niko Pelinka mit der SPÖ zu tun hätte.

Häupl: Nein, das stimmt nicht. Was der Niko mit der SPÖ zu tun hat, das weiß ich gut. Ich habe gesagt, ich wüsste nicht, was die Bewerbung um einen Büroleiterjob in einem großen Unternehmen mit der SPÖ zu tun hat. Es ist uns doch auch vollkommen wurscht, wer Büroleiter bei Siemens oder General Motors wird.

STANDARD: Da gibt es einen Unterschied: Der ORF ist ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen.

Häupl: Aber ein Büroleiter ist ein Büroleiter.

STANDARD: Dass der Vorsitzende des SPÖ-Freundeskreises im Stiftungsrat direkt aus dieser Position in die Generaldirektion zu Alexander Wrabetz wechselt, kommt Ihnen nicht komisch vor?

Häupl: Net bös sein. Ich verstehe eure Solidarität mit den Redakteuren des ORF. Aber ich bitte um Dispens: An der Diskussion über einen Büroleiter im ORF nehme ich nicht teil.

STANDARD: Können Sie die Proteste nachvollziehen?

Häupl: Ehrlich gesagt: Das ist alles viel zu hoch gehängt. Da ging es doch gar nicht um den Niko.

STANDARD: Es ging um den Einfluss der Politik auf den ORF.

Häupl: Darum ist es gegangen, ja, wobei man dabei mit unterschiedlichem Maß misst. Aber es ist ohnehin erledigt.

STANDARD: Wie viel Einfluss braucht die Politik auf den ORF?

Häupl: Gar keinen. Null.

STANDARD: Aber Sie suchen sich in Wien den Landesintendanten aus.

Häupl: Das sieht das Gesetz so vor.

STANDARD: Das Gesetz sieht eine Anhörung vor, kein Mitspracherecht, wie das in der Praxis läuft.

Häupl: Ich werde angehört. Die Entscheidung trifft der Generaldirektor. Das ist das Gesetz. Ich hab auch ein Mitspracherecht bei der Bestellung des Polizeipräsidenten.

STANDARD: Dem kommen Sie nach?

Häupl: Wie es das Gesetz vorsieht.

STANDARD: Und Sie brauchen das?

Häupl: Wenn man meint, man kann auch darauf verzichten, dann soll man das bitte tun. Ich brauch das alles nicht. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 7.2.2012)