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In Paris spricht ein Feuerwehrmann mit einer Obdachlosen. Im Freien zu übernachten ist im Moment in weiten Teilen Europas lebensgefährlich.

Foto: REUTERS/Charles Platiau

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Am Genfer See ist die Uferpromenade mit einer zentimeterdicken Eisdecke überzogen.

Foto: Keystone/Martial Trezzini/AP/dapd

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Übersicht über die Anzahl der Kältetoten und die tiefsten Temperaturen in den jeweiligen Ländern.

Grafik: APA

Die anhaltende Kältewelle sorgt in weiten Teilen Europas weiterhin für chaotische Zustände. Eine Woche nach dem heftigen Wintereinbruch sind über den Kontinent verteilt mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen.

Besonders stark hat die Kältewelle Weißrussland und die Ukraine getroffen. Dort werden Temperaturen jenseits der minus 30 Grad gemessen. "In der Ukraine sind bereits mehr als 130 Menschen erfroren", sagt Max Santner, Leiter der Internationalen Hilfe des Österreichischen Roten Kreuzes. Weitere 1.800 Personen mussten aufgrund von Erfrierungen in Krankenhäusern behandelt werden.

"Besonders stark von den eisigen Temperaturen sind Obdachlose, Menschen, die unter der Armutsgrenze leben und ältere Personen betroffen", so Santner. Hunderte freiwillige lokale Rotkreuz-Mitarbeiter verteilen in Weißrussland und der Ukraine warme Getränke, Essen und Winterkleidung. Insgesamt kann so 4.000 Obdachlosen und weiteren 30.000 von der Kälte betroffenen Menschen geholfen werden.

Minus 39,4 Grad in Tschechien

In Tschechien hat die extreme Kälte einem weiteren Menschen das Leben gekostet. In einer Holzhütte in einem Vorort von Prag erfror nach Angaben der Polizei ein 44-jähriger Mann. Laut der tschechischen Nachrichtenagentur CTK starben in dem Land bereits rund 20 Menschen durch die klirrende Kälte. Wie in der Nacht zuvor sank die Temperatur in Kvilda im Böhmerwald, nahe der Grenze zu Bayern, auf minus 39,4 Grad.

19 Menschen auf dem Balkan erfroren

In Bosnien starb nach Behördenangaben vom Dienstag ebenfalls erneut ein Mensch aufgrund der Kälte. Damit stieg die Zahl der Kältetoten auf dem Balkan auf 19, seit dort vergangene Woche die extremen Minustemperaturen eingesetzt hatten. Am stärksten betroffen war Serbien mit insgesamt zehn Toten. Vier Menschen starben bisher in Bosnien, drei in Kroatien und jeweils einer in Montenegro und Mazedonien.

Mehr als 70.000 Menschen in entlegenen Bergdörfern der Region waren wegen des Schnees seit mehreren Tagen von der Außenwelt abgeschnitten. Im Süden Bosniens konnte ein Rettungshubschrauber, der zu einem eingeschneiten Dorf fliegen sollte, wegen eines Schneesturms nicht abheben.

60 Kältetote in Polen

In Polen sind durch die klirrende Kälte bereits mehr als 60 Menschen gestorben. Allein von Sonntag auf Montag seien neun Kältetote im Nordosten gezählt worden, teilte die polnische Polizei mit. Die meisten Opfer seien Obdachlose, die betrunken gewesen seien. Wegen der extremen Minusgrade lockerten die Aufnahmezentren für Obdachlose ihre Regeln und nehmen inzwischen auch alkoholisierte Menschen auf, die normalerweise keinen Zutritt erhalten.

Schneestürme in Bulgarien

In Bulgarien haben nach der Regenflut nun heftige Schneestürme den Verkehr lahmgelegt. Am schwersten getroffen war die Region der Donaustadt Russe. Dort gab es drei Meter hohe Schneeverwehungen, berichtete der Staatsrundfunk in Sofia. Die einzige Brücke über die Donau nach Rumänien bei Russe wurde geschlossen. Die Hauptstadt Sofia versank bei minus neun Grad im Schnee.

Regierungschef Boiko Borissow rief die Menschen am Dienstag auf, auf unnötige Fahrten zu verzichten. Für das ganze Land galt ein Fahrverbot für schwere Lastwagen. An vielen Schulen fiel der Unterricht aus. In Dutzenden Orten mussten die Menschen wegen beschädigter Leitungen ohne Strom- und Wasserversorgung auskommen. Insgesamt elf Menschen sind in dem Balkanland seit dem sibirischen Kälteeinbruch erfroren. Mindestens acht kamen bei den schweren Überschwemmungen am Montag ums Leben.

Prekäre Situation in Italien

In Italien wächst die Zahl der Todesopfer wegen der anhaltenden Kältewelle. Nachdem am Wochenende 18 Menschen ums Leben gekommen sind, wurden zwischen Montag und Dienstag weitere sieben Todesfälle gemeldet, berichteten italienische Medien. Heftige Schneefälle wurden erneut in der Apenninenregion Abruzzen gemeldet. In der Region Marke wird bis Donnerstag mit weiteren Schneefällen gerechnet. Einige Autobahnabschnitte wurden gesperrt. In Rom blieben am Dienstag weiterhin die Schulen geschlossen. Für Obdachlose wurden 2.000 Schlafplätze zur Verfügung gestellt.

In Triest erreichte der Wind eine Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h. Die Temperaturen sanken bis auf minus fünf Grad. In Venedig bildeten sich wegen der starken Kälte Eisplatten auf dem Canale Grande. In der Provinz Padua wurden minus neun Grad gemeldet. Im Raum der Adria-Stadt Cesena mussten 19 Personen wegen des Schnees ihre Wohnungen auf den Hügeln zwischen Tessello und Formignano verlassen.

Schneefälle wurden auch in Kalabrien gemeldet. Der Agrarverband Coldiretti klagte über Schäden für die Landwirte in Höhe von 50 Millionen Euro. Tonnen verderblicher Lebensmittel konnten nicht verteilt werden.

Italien befürchtet jetzt auch Gasengpässe wegen gedrosselter Lieferungen aus Russland. Nachdem Russland wegen der extremen Kälte die Gaslieferungen an den Westen reduziert hat, klagt Italien über erhebliche Schwierigkeiten beim Gasimport. Die EU-Kommission erklärte sich bereit, Italien zu unterstützen, sollte es zu Engpässen bei der Gaslieferung kommen. Gasimporte aus Algerien und aus Nordeuropa über die Schweiz an den Apeninnenstaat wurden erhöht.

Kein Strom

Wegen heftigen Schneefalls kam es in mehreren Teilen des Landes auch zu Stromausfällen. Mindestens 85.000 Menschen mussten in Mittel- und Süditalien ohne Elektrizität ausharren. Besonders prekär war die Lage in der mittelitalienischen Region Abruzzen.

Für Obdachlose in Rom wurden 2.000 Schlafplätze zur Verfügung gestellt. Innenministerin Annamaria Cancellieri appellierte an die Italiener, auf das Auto zu verzichten und zu Hause zu bleiben.

Kälterekorde auf Mallorca und in der Schweiz

Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca wurden die tiefsten Temperaturen seit 40 Jahren registriert. Wie die Lokalpresse am Montag berichtete, waren an der Balearen-Universität in Palma de Mallorca am Vortag minus 5,7 Grad gemessen worden. Eine solche Kälte hatte es zuletzt im Jahr 1972 gegeben. Die Höchsttemperatur stieg in der Inselhauptstadt nicht über 4,8 Grad, was ebenfalls den tiefsten Wert seit vier Jahrzehnten bedeutete.

In der Schweiz selbst wurde in der Nacht auf Montag die tiefste jemals gemessene Temperatur auf bewohntem Gebiet gemessen. Minus 35,1 Grad zeigten die Thermometer in Samedan (Kanton Graubünden). Auf der Glattalp (Kanton Schwyz) wurden gar minus 45 Grad registriert.

Fast ebenso kalt wie in Samedan war es auf der Alp Buffalora am Ofenpass (ebenfalls Graubünden) mit minus 31,8 Grad. In La Brevine im Neuenburger Jura, dem sogenannten Sibirien der Schweiz, sanken die Temperaturen auf eisige minus 27,6 Grad.

Ausnahmezustand in Serbien

Zehn Kältetote sind mittlerweile auch in Serbien zu beklagen. Die Regierung hat wegen des anhaltenden Frosts am Sonntagabend den Ausnahmezustand verhängt. Er soll den Behörden ermöglichen, auch private Unternehmen in die Schneeräumung einzubinden.

Nach Angaben der Behörden sind derzeit landesweit rund 70.000 Menschen von der Umwelt abgeschnitten und schätzungsweise 5.000 Kilometer Verkehrswege unbefahrbar. Bis Mittwoch ist in Serbien noch mit starken Schneefällen zu rechnen, in Belgrad sei mit minus 20 Grad und weiteren 20 Zentimetern Schnee zu rechnen. Das Bildungsministerium hatte bereits am Freitag landesweit einwöchige Schulferien verordnet. Auch die Kindergärten blieben geschlossen.

Türkei: Mehr als hunderttausend Menschen in Containern

Mehr als drei Monate nach dem verheerenden Erdbeben in der osttürkischen Provinz Van trotzen 117.000 Menschen dem Winter in Wohncontainern. Gouverneur Münir Karaoglu teilte nach Presseberichten mit, bisher seien 28.500 Container aufgestellt worden. Rund 7.500 Menschen müssen trotz eisiger Temperaturen noch immer in Zelten leben. Gouverneur Karaoglu sagte, es werde alles getan, um auch diese Menschen möglichst bald in feste Unterkünfte zu verlegen. In Van sinken die Temperaturen derzeit nachts bis auf minus 16 Grad.

Die Gemeinde Kvilda an der Grenze zu Bayern hält weiter den Kälterekord in Tschechien. Dort zeigte das Thermometer am Montag minus 39,4 Grad. Auch in der Hauptstadt Prag war es mit minus 19,2 Grad ungewöhnlich kalt. Die Extremkälte forderte am Wochenende mindestens sechs Tote, wie tschechische Zeitungen am Montag berichteten. (APA/red)