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Philippinische und US-amerikanische Soldaten bei einer gemeinsamen Landungsübung auf den Philippinen im Oktober 2011. China beobachtet die Interessen Washingtons im südchinesischen Meer sehr kritisch.

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Joseph Chinyong Liow ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der Rajaratnam School of International Studies in Singapur. Er war ein Munich Young Leader der Körber-Stiftung und Teilnehmer an der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Körber-Stiftung mit Sitz in Hamburg hat sich der gesellschaftlichen Innovation verschrieben, sie betreibt Projekte in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur und vor allem im Feld der internationalen Politik.

Foto: Rajaratnam School of International Studies

Die Volksrepublik werde in den kommenden Jahren erst einmal darauf achten, ihre Macht nach innen und außen zu konsolidieren, sagte der Politiwissenschafter Joseph Chinyong Liow im Gespräch mit Christoph Prantner in München.

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STANDARD: Wie beurteilen Sie die neue US-Strategie für den Pazifik?

Liow: Das Engagement der USA im Pazifik war immer da - einmal mehr, einmal weniger. Nehmen Sie die Amtszeit George W. Bushs, seine Regierung war auf den Kampf gegen den Terrorismus fokussiert. Das hat auch die Beziehungen zu Asien bestimmt. Präsident Obamas Regierung legt es nun breiter an, und das ist gut so. Die chinesischen Reaktionen darauf sind durchwachsen. Teile der Volksbefreiungsarmee interpretieren das als einen Versuch, die US-Hegemonie in der Region neu zu behaupten. Im chinesischen Außenamt gibt es weniger Misstrauen. Aber in jedem Fall passt Peking sehr auf jene Bereiche auf, die seine Kerninteressen berühren. Zum Beispiel das Südchinesische Meer, über das Hillary Clinton zuletzt gesagt hat, dort gebe es auch amerikanische Interessen. Darauf haben die Chinesen sehr negativ reagiert, vor allem weil die Amerikaner sich dort lange herausgehalten haben.

STANDARD: Dennoch scheint es eher ausgeschlossen, dass es zu einem nachhaltigen, vielleicht auch militärischen Konflikt kommen könnte.

Liow: Ja, denn der Grad der gegenseitigen Abhängigkeit ist sehr hoch. Peking hält 2.000 Milliarden Dollar an US-Schulden. Die gegenseitigen Investments sind zu hoch, als dass wir ein Szenario sehen könnten, wie es zwischen Moskau und Washington im Kalten Krieg herrschte. Aber natürlich, China ist eine aufstrebende Macht. Das wird Spannungen mit den USA erzeugen, das ist unvermeidlich. Das heißt aber nicht, dass auch ein Konflikt unvermeidlich wäre.

STANDARD: In Peking meinen viele, die USA würden versuchen, China einzukreisen. Wenn man die Aktivitäten im Südchinesischen Meer ansieht und etwa die Öffnung gegenüber Burma, hat das doch einiges für sich, oder?

Liow: Ja, das beschäftigt die Chinesen. Das geht auf das Jahr 2004 oder 2005 zurück, als Japan mit den Demokratien Indien, Australien und USA eine Allianz schmiedete. Das begriff Peking als geopolitische Einkreisung. Das kommt jetzt bis zu einem gewissen Grad wieder hoch durch die militärische Zusammenarbeit zwischen Indien, Australien und den USA. Die US-Streitkräfte stationieren etwa 2.500 Marines in Darwin. Das ist militärisch gesehen nicht viel, doch es ist ein politisches Statement. Das macht den Chinesen Sorgen, aber alarmiert sind sie noch nicht. Andererseits haben die USA der Führung in Peking erklärt, dass sie ihre Strategie hinter der Aufrüstung der Volksarmee besser erklären und transparenter machen muss, um Missverständnisse zu vermeiden. Es ist derzeit eine Quid-pro-quo-Situation.

STANDARD: China ist sehr gut darin, Soft Power und wirtschaftlichen Einfluss einzusetzen, wie wirkt das in der Region? Halten Japan und andere Staaten adäquat dagegen?

Liow: Derzeit ist ein sehr interessanter Punkt in der Geschichte, denn Japan und China sind erstmals in etwa gleich mächtig. Damit müssen beide Parteien erst einmal umgehen lernen. Die Chinesen waren in den vergangenen 15 Jahren sehr darauf bedacht, dass sie nicht als dominierende Macht wahrgenommen werden. Sie waren froh, dass etwa die ASEAN (Verband Südostasiatischer Staaten, Anm.) die regionalen Initiativen anführt. Viele meinen, dass das eine Täuschungsstrategie sei und die Chinesen, sobald sie noch mehr an politischem Gewicht zugelegt haben, ihre Dominanz ausspielen werden. Mir ist diese Theorie zu simplizistisch. China muss selber erst lernen, mit der neuen Macht und seinem Einfluss umzugehen, das auf eine produktive Weise in internationaler Politik einzusetzen. Man will vermeiden, dass man die Möglichkeiten der sogenannten Ersten Welt hat, ohne die Geisteshaltung derselben zu haben. Peking versteht, dass es international - Stichwort Iran, Stichwort Klimaschutz - größere Verantwortung übernehmen muss. Aber es ringt immer noch mit sich, wie das mit nationalen Interessen unter einen Hut zu bringen ist.

STANDARD: Tibet, Xinjiang, Arbeiter- und Bauernproteste - in der Volksrepublik selbst steigen auch die internen Spannungen. Muss sich die kommende Führung womöglich mehr mit Innen- als mit Außenpolitik beschäftigen?

Liow: Es wird eine ähnliche Situation wie in den USA entstehen. Zu den Protesten kommt auch die heikle Situation der Machtübergabe hinzu. Die neue Führung unter Xi Jinping wird nicht die Autorität haben wie jene von Deng Xiaoping oder auch jene Jiang Zemins. Es wird eine kollektive Führung sein, die vor allem an Konsolidierung denken muss. Das wird die Entscheidungskultur in China beeinflussen, sie wird transparenter werden, aber wahrscheinlich auch langsamer. (derStandard.at, 6.2.2012)