Die neue Programmdirektorin des ORF, Kathrin Zechner, sagte in einem "News"-Interview, solchen Trash wie das Dschungelcamp auf RTL werde es im ORF nicht geben. Abgesehen davon, dass Richard Lugner den Opernball und damit auch die TV-Übertragung für einige Minuten in solchen Trash verwandeln will: Keine Angst, Frau Zechner, Sie sitzen mitten drin im Dschungelcamp der österreichischen Politik.

Einem bestimmten "Lager" (dem deutschen Ausdruck für "camp") ist die auch als Theaterdirektorin erfahrene Programmmacherin nicht zuzurechnen, aber auf der Wiener Stegreifbühne werden täglich Feuer angezündet, fliegen fast stündlich die Fetzen.

"Ich bin gewählt, um Programm zu machen und nicht Politik", replizierte sie im zitierten Interview.

Richtig, denn direkt Politik zu machen wäre noch übler als die bisherige Praxis - mit der ORF-Maschinerie womöglich Leute abzuschießen oder sekundäre Figuren aus Parteiinteresse hochzuspielen.

Ihre Antwort ist trotzdem keine Absage an die Politik, denn was wollen Parteien vom ORF? Ein ihnen genehmes Informationsprogramm zu produzieren. Beispiele: das Landeshauptmann-Fernsehen und die paritätisch besetzten Talks. Mindestens das.

Mit Journalisten den Sonntag oder die "runden Tische" ein wenig aufzumascherln genügt nicht. Selbst der "Club 2" fristet ein Schattendasein. Es bräuchte neue Formate, wie die mutige Kabarett-Schiene am Donnerstag eines ist.

Ausprobieren könnte man das im Rahmen eines Frühstücksfernsehens. Beginnend in ORF III oder überhaupt nur dort. Eine Morgenunterhaltung wie in ZDF und ARD sollte man erst gar nicht versuchen. Dort würden in der Wien-Version erst wieder die Lugners, die Dancing Stars und ORF-Autoren auftreten, die gerade ein Buch geschrieben haben.

ORF III müsste rasch von Archivsendungen wegkommen. Und von so grotesken Wiederholungen wie dem Kulturmontag am Dienstag. Der Kanal braucht Dokus, für die man derzeit zu ZDF neo oder Arte (zunehmend auch zu Servus TV) schalten muss.

Zechners Erklärungen seit Übernahme ihrer Funktion lassen ein Konzept vermissen, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen würde.

Geht nicht, könnte man sagen. Ginge schon, wenn man sich an den konservativen, aber äußerst innovativen Geist aus der Zeit Gerd Bachers erinnerte, der sich auch noch auf die Zeiten Teddy Podgorskis und Gerhard Weis' erstreckte. Dann war Schluss. Der einzige Wrabetz-Fortschritt war mehr Unabhängigkeit für die zentralen Informationssendungen.

Bei der Diskussion des Sparpakets werden die ORF-Journalisten ihre durch den Konflikt um Nico Pelinka gestärkte Position vermutlich nützen und pointierte Sendungen erarbeiten.

Diese Zeit müsste Zechner im Hintergrund nützen, um dem politischen Dschungelcamp zu zeigen, dass man landespolitischen Reformeifer wie in der Steiermark auch auf die ORF-Strukturen übertragen könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2012)