Mit Veronica Ferres wurde eine Actrice gefunden, die das Betroffenheitsgesicht aus dem Effeff beherrscht.

Foto: ORF/ZDF/Alexander Fischerkoesen

Acht Jahre nach dem Tsunami im Indischen Ozean nimmt sich das deutsche Unterhaltungsfernsehen der Katastrophe an. Tsunami - Das Leben danach erzählt die "wahre" Geschichte der Überlebenden Billi Cramer, ihrer Trauer, ihres Traumas und natürlich ihres Willens, einen Neuanfang zu wagen. Die Botschaft dahinter offenbart das schlimmste Klischee: Mit dem Schicksalsschlag stark werden und über sich hinauswachsen, als entscheidende Größe zum gelingenden Leben. Das klingt zum Fürchten - und das ist es auch.

Mit Veronica Ferres wurde eine Actrice gefunden, die das Betroffenheitsgesicht aus dem Effeff beherrscht. Die katastrophale Welle gibt ihr ausreichend Gelegenheit dazu: "Der Tag, an dem alles in mir starb." Und so sitzt, steht, liegt die Trauernde den größten Teil des Dramas und schaut. Spät, aber doch wird schließlich eine entschlossen dreinblickende Verarbeitende mit zitternden Nasenflügeln. Die zynische Seite an der Idee, erst ein Unglück erlaubt die Selbstfindung, ist Kitsch-TV fremd. Es geht um: Emotion.

Beim Kaffee einschenken, sich selbst aus den geröteten Augen verlieren: "Wir wollten die Bescherung nach dem Urlaub machen." Die aufkommenden Schuldgefühle werden in küchenpsychologischer Leichtigkeit gelöst: "Billi, du musst wieder unter Menschen!" Die Rückkehr an den Ort der Tragödie ertrinkt in goldgelbem Licht, Hände werden gedrückt und schließlich, wieder zurück, neue Beziehungen geknüpft: Hey, das Leben ist ja doch super!

Echten Respekt hätte man Hinterbliebenen - und nicht nur ihnen - erwiesen, wenn sich das Mainstreamfernsehen ganz fern gehalten hätte. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 6.2.2012)